Session 22 – Reginalds Rustikale Rippchen

Am Morgen des 15. April tauchte Drakkenheim in den dichten, bleiernen Nebel, der die Straßen der Stadt wie ein Leichentuch verhüllte. Die Dunkelheit hing schwer, selbst als die Sonne mühsam über die zerfallenen Gebäude kletterte und ihren fahlen Schein über die vernarbte Stadt legte. Die Darkk Lyres verließen die kalten Mauern der Garnison der Hooded Lanterns. Ihre Schritte hallten auf dem verwitterten Pflaster, als sie sich in Richtung des Slaughterstone Square begaben, einem Ort, der von den Schrecken der Vergangenheit und den Ungewissheiten der Gegenwart heimgesucht wurde.

Auf ihrem Weg stießen sie auf eine Prozession. Fünf Paladine der Silver Order, hoch aufgerichtet, ihre Rüstungen schimmernd im matten Licht. Doch es war das Wesen in ihrer Mitte, das die Aufmerksamkeit der Darkk Lyres fesselte: Ein Pferd, einst ein prachtvolles Streitross, nun eine groteske Parodie seiner selbst. Seine Flanken zitterten und schwollen an, als ob etwas Dunkles, Unnatürliches unter seiner Haut wütete. In einer engen, schattigen Gasse verbargen sich die Darkk Lyres, die Luft angehalten, als Noita mit einer Geste ihre Gefährten zur Ruhe ermahnte. Ihre Augen verengten sich, und in ihrem Blick lag Wissen—die Mutation hatte begonnen.

Das Pferd bäumte sich auf, seine Schreie durchdrangen die stillen Straßen wie ein Echo aus einer anderen Welt, doch die Paladine der Silver Order kannten keine Gnade. Kaltherzig und mit präzisen Bewegungen ließen sie ihre Klingen auf das leidende Tier niederfahren, bis es verstummte und nur eine blutige Pfütze auf dem Kopfsteinpflaster zurückblieb. Die Paladine wendeten sich ab und verschwanden in den Schatten einer nahegelegenen Kapellenruine der Sacred Flame, die nun kaum mehr war als ein Überbleibsel aus besseren Tagen. Ihre Mauern schwarz von Ruß und die Fenster zerborsten wie blinde Augen, die nicht mehr sehen konnten.

Als die Luft wieder still und nur das ferne Klappern eines herumirrenden Windes zu hören war, schlichen die Darkk Lyres weiter. Slaughterstone Square lag vor ihnen, eine trostlose Weite, die wie ein Mahlstein auf den Seelen derjenigen lastete, die ihn betraten. Der Platz selbst war wie eine klaffende Wunde in der Stadt: ein achteckiges Gefüge aus breiten, verwitterten Steinen, das von hochaufragenden Stadthäusern umringt wurde. Diese Häuser, mit ihren steilgezackten Dächern und schmalen Balkonen, sahen wie stumme Wächter herab, deren scharfe Fensterblicke jeden Ankömmling in stummem Urteil musterten. Hier und da lagen zerfetzte Leichen, und aus den Pfützen koagulierten Bluts schien eine unsichtbare Dunkelheit emporzusteigen.

Mit wachsamen Blicken erspähte Thamanea den Executioner, das groteske Konstrukt aus Stahl und Wut, das über den Platz wachte. Wie eine unaufhaltsame Mordmaschine schritt es um den zentralen Brunnen, ein flacher, steinerner Koloss, der das Herz des Platzes bildete. Funkenflug und die anderen versuchten mit geschickten Manövern, das Ding fortzulocken, doch der Executioner reagierte mit der Präzision eines Raubtiers. Magie schien es nur wachsamer zu machen, und so zogen sich die Darkk Lyres zurück, ihre Pläne unvollendet, und ließen das Monstrum, wie es war—eine rastlose Bedrohung, die jeden Versuch, den Platz zu überqueren, in Blut ertränken würde.

Ohne weitere Umwege machten sie sich auf zum Gerichtsgebäude der Stadt, das am Rande des Platzes wie ein kaltes Monument stand. Das alte, ehrwürdige Gebäude nahm den gesamten Block ein. Spitzbogige Fenster mit zerbrochenem Glas starrten hinaus, und die breiten Steinstufen, die zum Eingang führten, wirkten wie der offene Rachen eines hungrigen Ungeheuers. Die zerschlissenen Banner mit dem Wappen Drakkenheims hingen leblos herab, Zeugen einer einstigen Herrlichkeit, die längst vergangen war.

Drinnen erwartete sie die Dunkelheit und ein bedrückendes Gefühl von Vergänglichkeit. Die Luft war schwer und still, als hätte das Gebäude selbst den Atem angehalten. Thamanea spürte die Präsenz der Geister, die sich wie ein kalter Nebel durch die Räume zogen. Es waren drei von ihnen, einst Bewohner dieses Ortes, nun verdammte Seelen, die mit Klauen nach den Erinnerungen ihrer Vergangenheit griffen. Ihre wimmernden Stimmen füllten die kargen Hallen mit einem Klagelied des Wahnsinns, und ihre durchscheinenden Gestalten flackerten wie gequälte Schatten. Ein Kampf entbrannte, in dem die Darkk Lyres um ihr Leben und ihre geistige Gesundheit kämpften, bevor sie die Geister schließlich in die Stille zurückzwangen.

Erschöpft, aber entschlossen, begannen Crois und Thamanea, das Büro des Bürgermeisters zu durchsuchen, zu dem Thamaneas Vater sie hin geschickt hatte. In einem schweren Eichenschreibtisch, dessen Holz unter den Jahren der Vernachlässigung morsch geworden war, fanden sie schließlich, wonach sie suchten. Ein Brief, versiegelt mit dem Wappen von Drakkenheim, lag verborgen in einer versteckten Schublade. Thamanea öffnete ihn, und ihre Augen huschten über die Zeilen. Die Worte enthüllten ein Geheimnis—Raimund, ihr Vater, war ein Freund des Königs gewesen. Der Brief sprach von der Möglichkeit, dass ihre Familie, die Goldbergs, einen neuen Erben für den Thron stellen könnte, da der König seine eigenen Kinder für ungeeignet hielt. Doch der Brief war nie gesendet worden, sondern versteckt, als wäre es eine Verschwörung gegen die Zeit selbst.

In einem Tresor entdeckten sie weitere Schätze: alte Schriftrollen, Gold und Platinmünzen, Zeugen eines Reichtums, der nun nur noch Staub und Vergessenheit bringen konnte. Doch während die Funde im Gerichtsgebäude abgeschlossen waren, hatten Crois und Funkenflug noch eine persönliche Mission. Der Laden „Reginalds Rustikale Rippchen“ lag nur eine Gasse weiter, und die beiden wollten das legendäre Rezept retten, um Reginalds Erbe zu bewahren.

Als sie den Laden betraten, schlug ihnen der Gestank von Verwesung entgegen, schwer und faulig wie ein Grab. Die Dunkelheit hing in der Luft, und der einst belebte Ort, erfüllt vom Duft gebratener Speisen, war nun ein toter, verlassener Schlachthof. In der Küche fanden sie Reginald—oder das, was aus ihm geworden war. Ein fettes, mutiertes Ungeheuer, seine Haut verzogen und aufgeplatzt, wie ein grotesker Albtraum aus Fleisch und Leid. Mit einem letzten, schmerzvollen Aufschrei griff Reginald mit seinen verkrüppelten, mutierten Küchenhilfen an. Crois und Funkenflug, die einst seinen Kochkünsten gelauscht hatten, mussten nun mit gebrochenem Herzen das erledigen, was getan werden musste.

Als der Kampf vorbei war, fand Funkenflug das Rezept—versteckt in der abscheulichen Wölbung des Ungetüms, das einst Reginald war. In stiller Trauer beschlossen sie, ihm die letzte Ehre zu erweisen. Sie schleppten den toten Körper nach draußen und legten ihn vor den Eingang des einst so lebendigen Restaurants. Die Flammen loderten auf, und Funkenflug und Crois beobachteten, wie die Gestalt des einstigen Freundes im Feuer verschwand, das Licht im Nebel verschmolz, und die Schatten der Stadt um sie herum wuchsen.

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