Die Stimmung in der Kathedrale von Saint Vitruvio war stumm und bedrückend. Staub tanzte im Licht der wenigen Fackeln, die die Hooded Lanterns in den steinernen Bögen befestigt hatten, und der kalte Atem der Katakomben stieg wie der Tod selbst aus der Tiefe empor. Funkenflug beugte sich über den toten Körper des Lords of the Feast, dessen deformierter Leib grotesk über die Reste des Altars hing. An seinen Gürteln trug er ein kleines, kunstvoll verziertes Phylakterium – das Artefakt und Siegel, nach dem sie alle so lange gesucht hatten.
Er betrachtete das Phylakterium einen Moment lang, spürte die magische Resonanz in seinen Fingerspitzen, und wusste, dass dies Noitas einzige Chance war. Die Luft flimmerte, als er sich darauf einstimmte, die Energie des Artefakts zu kanalisieren. Funkenflug nutzte die heilige Magie des Phylakteriums, während er sich über Noita beugte, seine Augen funkelten im Licht des Artefakts. Eine Stunde verging in angespannten Atemzügen, während die anderen in gedämpfter Stille warteten.
Langsam begann Noitas Haut sich zu regenerieren, die tiefen Wunden schlossen sich, und die Spuren der Mutation verblassten. Doch ihr Bewusstsein kehrte nicht zurück. Crois und Thamanea standen nahe bei ihr, ihre Gesichter vor Sorge verhärtet.
„Wir müssen weiter“, sagte Crois schließlich. „Die Zeit drängt, und Noita ist stabil genug. Wenn wir jetzt nicht handeln, war alles umsonst.“ Thamanea nickte, auch wenn man ihr ansah, dass es ihr schwerfiel, ihre Freundin zurückzulassen.
Eine junge Soldatin der Hooded Lanterns, deren Augen von einer Mischung aus Angst und Entschlossenheit erfüllt waren, trat aus dem Hintergrund. „Ich werde euch begleiten“, sagte sie mit zitternder Stimme. „Ich… ich kenne die Katakomben ein wenig, und ihr könnt jede Unterstützung gebrauchen.“ Sie stellte sich als Alycia Martell vor, und obwohl ihr Mut brüchig wirkte, konnten sie ihren Eifer nicht leugnen.
Die Gruppe machte sich auf, tief in die Katakomben hinabzusteigen, den kalten Hauch der Jahrhunderte und die erdrückende Stille als ständigen Begleiter. Die ersten Schritte hallten unheimlich wider, als sie die steinernen Treppen hinabstiegen und in die Dunkelheit eintauchten.
Der Raum, den sie betraten, war lang und schmal, und an der Wand stand eine Statue, die einen Engel in imposanter Pose darstellte. Er hielt ein Schwert – Ein Symbol des Krieges. Funkenflug, der sich in den Lehren der Paladine auskannte, erkannte die Gestalt als Michael, einer der Engel, der Saint Tarna auf ihren Weg geführt hatte. Ein sanftes, himmlisches Licht strahlte aus den Händen des Engels und bildete einen schmalen Lichtstrahl, der über die Halle glitt.
„Das Licht öffnet den Weg der Wahrheit“, murmelte Thamanea, während sie die Inschrift auf dem Sockel der Statue las. Funkenflug trat vor und inspizierte die Gelenke des Engels. „Diese Schilde können wir bewegen“, stellte er fest. Er drehte den Schild des Engels auf der Westseite in einem Winkel von fünfundvierzig Grad. Der Strahl schoss den Gang hinunter, reflektiert von dem polierten Metall.
„Jetzt müssen wir nur den Strahl in die richtige Richtung lenken“, fügte er hinzu, während Crois und Alycia den Raum durchsuchten und schließlich einen weiteren verspiegelten Schild fanden. Sie positionierten den Schild an der Kreuzung des Ganges und drehten ihn behutsam, bis der Strahl nach Norden gelenkt wurde.
Ein tiefes Grollen ertönte, als die große Tür am Ende des Ganges sich langsam öffnete.
Die Gruppe betrat einen kreisrunden Raum mit einer hohen Kuppel, die mit kunstvollen Fresken bemalt war. Die Malereien zeigten Ritter, die mit heiligen Flammen in spiralförmigen Reihen marschierten, ihre Gesichter entschlossen, ihre Waffen erhoben. Im Zentrum stand ein großer Marmorbrunnen, aus dem eine düstere, weinende Statue aufragte. Tränen aus Wasser flossen von den Augen des Engels herab und füllten den Brunnen, während seine Hände flehend zum Himmel erhoben waren.
„Was für ein trauriger Anblick“, murmelte Alycia, als sie die kniende Statue betrachtete, deren Gesicht von Qualen gezeichnet war. „Warum weint er?“
Funkenflug hob den Kopf, seine Augen auf offenen Händen des Engels gerichtet. „Es scheint, als könnte er das Licht lenken, wenn er ein Silberschild tragen würde. Die Eisenstangen am Rand des Brunnens könnten dazu dienen, die Richtung zu ändern.“
Thamanea griff nach einem der Griffe und bewegte ihn vorsichtig. Ein Klicken ertönte, und der Engel neigte seine Hände. Allerdings mussten sie einen Spiegelschild für den Engel finden.
Im nächsten Raum flackerten die Kerzen an den Wänden, ewige Flammen, die die Schatten wie lebendige Kreaturen über die alten Sarkophage tanzen ließen. Die Darkk Lyres schritten vorsichtig durch die Kammer, ihre Schritte hallten dumpf auf dem steinernen Boden wider.
„Das muss ein Gedenkraum sein“, murmelte Funkenflug und spähte in eine der Nischen, wo uralte Überreste in vergessenen Ritualen dargeboten lagen.
„Hier, seht“, rief Alycia und zeigte auf eine der Nischen. Eine kleine Glaslinse war darin eingelassen, der Raum dahinter durch den Staub kaum zu erkennen. „Wir müssen das Licht hierhin leiten. Lasst uns nach einem Spiegelschild suchen.“
Der nächste Raum war kalt, und Dunkelheit umhüllte alles wie ein dichtes Leichentuch. Die Fackeln brannten hier nicht mehr, und die Stille war ohrenbetäubend. Auf einem der Sarkophage ruhte ein glänzender Spiegelschild, das einzige Zeichen von Licht in diesem düsteren Raum.
Kaum hatte Crois die Hand nach dem Schild ausgestreckt, als die Mumien zu beben begannen. Die Darkk Lyres zogen ihre Waffen, als die Toten sich erhoben, ihre Augen glühten in der Finsternis. „Wir müssen sie in Frieden ruhen lassen“, rief Thamanea.
Funkenflug, Crois und Alycia kämpften gemeinsam, um die Mumien zu besiegen. Als sich die Untoten nicht mehr rührten, folgten sie Thamaneas Vorschlag, die Kerzen der Sarkophage wieder zu entzünden und damit die mumifizierten Heiligen wieder zur Ruhe zu betten. Funkenflug hob den Spiegelschild auf, ein weiteres Puzzleteil auf ihrem Weg durch die Katakomben.
Zurück in im Gedenkraum, stellte Funkenflug den Spiegel so auf, dass der Strahl sich in die Nische brach. Mit einem tiefen Knarren schob sich eine versteckte Wand beiseite und enthüllte einen staubigen Raum dahinter. Sie traten ein und fanden seltene, wertvolle Zauberrollen – Geschenke der Vorfahren an die Heiligen. Zu ihrer Überraschung fanden sie auch einen weiteren Spiegelschild in der versteckten Kammer.
Die Gruppe nutzte die beiden Spiegelschilder, um das heilige Licht von Michael Richtung Süden zu lenken, wo sich eine weitere Steintüre schwerfällig öffnete. Sie traten vorsichtig in den Raum und wurden sofort von der Aura des Heiligen Vitruvio ergriffen. Das Licht der Fackeln, die an den marmornen Säulen entlang der Wände angebracht waren, flackerte sanft und tauchte den Raum in ein warmes, fast sakrales Licht. Sie folgten einem schmalen Gang, vorbei an Wandgemälden, die die heldenhaften Taten des Paladins Vitruvio zeigten. Die Malereien erzählten von Schlachten gegen dämonische Horden, von heldenhaften Taten, die in Blut und Schweiß gehüllt waren, aber auch von Momenten des Friedens, als Vitruvio über Felder schritt, gesegnet vom Licht.
Im Zentrum des runden Raumes erhob sich die Statue des Heiligen selbst, ein imposantes Werk aus Stein, das ihn in voller Rüstung darstellte. Die Details waren atemberaubend: die Kanten der Plattenrüstung schimmerten, als wäre sie frisch poliert, und die Glaskugeln in den Augenhöhlen schienen die Gruppe zu beobachten, als würde der Heilige selbst sie prüfen. Seine ausgestreckten Arme zeigten zu beiden Seiten, und seine Hände waren seltsam durchbohrt, als hätte man die Stigmata in Stein nachgebildet. In den Hohlräumen seines rechten Oberschenkels, Kiefers und in mehreren Fingerknöcheln ruhten Reliquien – Knochen des Heiligen, jede einzelne mit fein geätzten Gebeten bedeckt.
„Das ist unglaublich“, flüsterte Funkenflug, als er nähertrat. „Die Kunstfertigkeit, und diese Energie…“. Crois runzelte die Stirn. „Es ist nicht nur Kunst. Diese Anordnung ist ein Mechanismus.“
Crois studierte die Statue aufmerksam und bemerkte die Spiegelungen, die von den Linsen in den Händen des Heiligen ausgingen. „Wir müssen das Licht lenken“, sagte er schließlich. „Seht ihr die Spiegel und die Linsen? Wir können sie nutzen, um das Licht von dem Engel hierher zu leiten.“
Alycia und Funkenflug schritten zur südlichen Wand, wo ein Spiegelschild befestigt war, dahinter eine kreisförmige Öffnung, die von einem prächtigen Relief eingerahmt war, das Vitruvio zeigte, wie er auf seinem mächtigen Drachen Argonath ritt. Thamanea bemerkte, dass ein Lichtstrahl nicht ausreichen würde. Die Linsen in den Handflächen der Statue benötigten jeweils eine eigene Lichtquelle. Allerdings war die gegenüberliegende Steintüre fest verschlossen. Es musste einen anderen Weg geben, diese Tür mit einem zweiten Lichtstrahl zu öffnen. Bevor die Gruppe die Treppen zur Kathedrale wieder emporstieg, entdeckte Thamanea eine Gebetskette der Scared Flame, die einige mächtige Zauber in ihren Perlen trug.
In der großen Halle der Kathedrale angekommen, stiegen sie die zweite Treppe auf der östlichen Seite in die Katakomben hinab. Dort wachte ein weiterer Engel, dessen heiliges Licht gelenkt werden konnte. Es handelte sich hierbei um den Erzengel Gabriella, welche einen Speer in der Hand hielt – ein Symbol der Verteidigung. Sie folgten dem Blick von Gabriella in den nächsten Raum.
Die Luft war kühl und trug den feinen Geruch von verglimmender Kohle. Reihen von Schädeln, jeder sorgfältig in eine Nische gesetzt, blickten mit leeren, doch irgendwie wachsamen Augen aus den Wänden in den Raum hinein. In ihren Augenhöhlen glänzten Edelsteine und Münzen, und das schwache Licht des einzigen glühenden Kohlebeckens in der Mitte des Raumes warf lange Schatten, die sich unheimlich über die Schädel zogen.
„Dies ist das Grab der ersten Flammenhüter“, murmelte Funkenflug ehrfurchtsvoll und wies auf die Inschrift am Kohlebecken. „Es heißt, ihre Seelen wachen über den Weg. Wir müssen hier vorsichtig sein.“
Die Gruppe betrachtete die Reihen von kleinen Statuetten, die die Regale schmückten – jede ein Abbild eines Tieres aus unterschiedlichen Materialien: Ein Frosch aus Messing, eine Katze aus Kupfer, ein Vogel aus Silber, und so weiter. Alycia fiel eine Besonderheit auf, während sie noch die Schädel auf der anderen Seite betrachtete. „Seht, der Schädel hier hat keine Edelsteine in seinen Augen.“
Funkenflug zitierte noch einmal die Inschrift des Kohlebeckens: „Bevor eine lebende Seele nach ihrem führenden Licht sucht, wisse, dass derjenige, der mit klaren Augen sieht, den Weg öffnen kann. Nehmt ihre leuchtende Wahrheit mit silbernen Flügeln auf.“
Funkenflug beugte sich hinunter und untersuchte die Augenhöhle des Schädels. „Ein Schalter…“, murmelte er, bevor er vorsichtig darauf drückte. Mit einem leisen Klicken verschob sich die Wand des rechten Torbogens und enthüllte eine verborgene Nische, in der ein prachtvoll geschmückter Körper ruhte, ein Spiegelschild in seinen toten Händen. „Da ist einer der Schilde, die wir brauchen“, sagte Thamanea. „Aber da muss noch ein weiterer Zugang sein.“
Funkenflug untersuchte die Statuetten und drückte schließlich auf den Boden der silbernen Vogelfigur. Der linke Torbogen öffnete sich ebenfalls, und auch dort fand die Gruppe einen verzierten Spiegelschild. „Wir haben, was wir brauchen“, sagte Crois. „Weiter.“ Mit den beiden Spiegeln in den Händen machten sie sich auf den Weg zur nächsten Kammer.
Bevor sie zur Kammer von Saint Vitruvio zurückkehrten, entschieden sie sich die östliche Gruft zu untersuchen. Ein unheilvolles Flüstern empfing die Gruppe, als sie die Gruft betrat. Das Licht der Fackeln schien hier schwächer, und viele der Kerzen auf den steinernen Platten, auf denen die toten Flammenhüter ruhten, waren erloschen. Nur drei Platten waren noch erleuchtet, die anderen lagen im Dunkeln, und die Schatten krochen über die Wände wie lebendige Kreaturen.
„Hier ist es… anders“, flüsterte Thamanea, und ihre Stimme hallte leise von den Wänden wider.
Am hinteren Ende des Raumes stand eine gewaltige Statue, die einen mächtigen Flammenhüter darstellte, der einen weiteren Spiegelschild in seinen Händen hielt. Das Licht der verbliebenen Kerzen reflektierte sich darin, und es schien, als würde die Statue die Gruppe herausfordernd beobachten.
Funkenflug erinnerte sich an die Rituale und Schriften, die er studiert hatte. „Wir dürfen nicht unüberlegt handeln. Wenn wir den Schild nehmen, könnten wir ihre Ruhe stören.“ Er deutete auf die mumifizierten Gestalten, die regungslos auf den Platten lagen, die in Dunkelheit gehüllt waren.
Er näherte sich vorsichtig dem leuchtenden Schild und griff nach ihm. In dem Moment, in dem seine Finger den kalten Stahl berührten, öffneten sich die Augen der Mumien im Dunkeln, und ein raues, uraltes Zischen erfüllte den Raum. Zwei der toten Flammenhüter erhoben sich langsam, ihre bandagierten Körper raschelten wie trockenes Laub.
„Zurück!“, rief Alycia, als sie ihren Bogen spannte und die glimmenden Augen der Mumien fixierte. „Wir müssen sie stoppen!“
Funkenflug und Crois stellten sich an ihre Seite, während Thamanea ihren Schild hob. Die Mumien griffen an, ihre Bewegungen langsam, aber unnachgiebig, als ob eine uralte Kraft sie trieb. Mit vereinten Kräften wehrte die Gruppe die Angriffe der auferstandenen Flammenhüter ab, bis schließlich nur noch die Kerzen weiterbrannten, die die Ruhe der verbleibenden Toten bewahrten.
„Schnell, bevor sich noch mehr erheben!“, rief Thamanea. Die Gruppe nahm den Spiegelschild und verließ die Gruft so leise und schnell wie möglich. Nun hatten sie genügend Spiegelschilder für die Kammer von Saint Vitruvio. Um die vier benötigten Spiegelschilder in Position zu bringen, befehligte Crois einige der Hooded Lanterns nach unten in die Katakomben.
Mit vereinten Kräften begannen sie, die Spiegel um die Statue und an den Schnittpunkten im Raum von Saint Vitruvio so zu positionieren, dass das Licht gebündelt wurde. „Bereit?“, fragte Crois, als er das letzte Stück des Puzzles in Position brachte. Funkenflug nickte, seine Stirn glänzte vor Schweiß.
Als sie das Licht durch die vier Spiegel in die Hände des Heiligen lenkten, erstrahlte der Raum in einem himmlischen Glanz. Ein breiter, reiner Lichtstrahl schoss aus den Augen der Statue, traf die Öffnung an der südlichen Wand und aktivierte den Mechanismus. Die Wand begann zu vibrieren, ein tiefes, durchdringendes Grollen erfüllte den Raum, und schließlich öffnete sich eine verborgene Tür, die eine breite Wendeltreppe offenbarte, die in die Dunkelheit hinabführte.
Die Wendeltreppe führte sie tief hinab unter die Erde. Der Geruch von Schwefel wurde mit jedem Schritt stärker, bis er beißend und nahezu erstickend wurde. Schließlich öffnete sich die Treppe in eine gigantische Höhle, deren Wände sich in der Ferne verloren. Der Boden war feucht und mit einer dünnen Schicht Öl überzogen, das in der Mitte des Raumes zu einem brodelnden Becken zusammenfloss.
Darin lag das Skelett eines gewaltigen Drachen. Seine goldenen Schuppen, die sich noch an seinem knöchernen Leib klammerten, schimmerten im magischen Schein der Lichtkugeln von Thamanea. Hier ruhten die Überreste von Argonath, dem legendären Drachen des Heiligen Vitruvio. Die Inschrift am Rande des Sees lautete: „Dies war mein Bruder im Kampf, Argonath. Niemand soll seine verdiente Ruhe stören, es sei denn, große Finsternis verschlingt Drakkenheim am Ende der Tage.“ Beeindruckt von der schieren Größe des Drachen verließen die Darkk Lyres ehrfürchtig das Grab und überließen ihn vorerst seiner Totenruhe.
Zurück in den Katakomben, befehligte Lieutenant Crois die Hooded Lantern die Spiegelschilder neu zu positionieren, um den Weg ins nördlich gelegene Skriptorium zu öffnen.
Der Geruch von altem Pergament und Tinte hing schwer in der Luft des Skriptoriums, als die Gruppe vorsichtig die Schwelle übertrat. Die hölzernen Regale, die sich vom Boden bis zur Decke erstreckten, waren bis zum Bersten mit Schriften, Büchern und Pergamentrollen gefüllt. Jedes Regal schien ein Meer von Wissen zu beherbergen, doch das Chaos der losen organisierten Dokumente ließ es wie ein Labyrinth der Worte erscheinen. Das Licht der Fackeln flackerte an den Steinwänden und warf unruhige Schatten, die über die Tische huschten, die in der Mitte des Raumes standen.
Auf den Tischen lagen verstaubte Folianten, alte Schreibfedern und umgekippte Tintenfässer. Eine dunkle Spur getrockneter Tinte verlief wie eine Ader durch die Risse im Steinboden, als ob der Raum selbst das Wissen, das hier niedergeschrieben worden war, verschlungen hätte. Alycia, deren Fingerspitzen sanft über das brüchige Pergament eines alten Buches glitten, flüsterte: „Es ist alles hier. Die Geschichte der Sacred Flame und die Chroniken der Paladine.“
Funkenflug, der die Regale nach wertvollen Schriftrollen durchstöberte, hielt inne, als ihm ein leises, unheilvolles Flüstern ins Ohr drang. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, und als er sich umdrehte, sah er, wie sich die Schatten im Raum verdichteten. Plötzlich schwebten einige Schemen über ihnen – geisterhafte Gestalten, die ihre klauenartigen Hände nach den Eindringlingen ausstreckten. Es waren Schatten, Überbleibsel der Seelen, die einst in diesen Hallen studiert hatten und deren Wissen sie verzehrt hatte. Die Gestalten verzerrter Frauen, manifestierten sich, ihre Gesichter verzogen in maskenhafte Grimassen.
Der Kampf entbrannte. Die ruhelosen Geister warfen dunkle Flüche, ihre Stimmen ein Klagelied, das die Luft mit einem boshaften Echo erfüllte. Sie versuchten in die Körper der Gruppe einzudringen und sie zu kontrollieren. Mit vereinten Kräften schlugen die Darkk Lyres die Angreifer zurück, bis ihre Schatten erloschen und sie zu Asche zerfielen.
Nachdem die Ruhe zurückgekehrt war, durchsuchten sie das Skriptorium weiter und fanden zwischen den Manuskripten einige seltene Zauberschriftrollen.
Um den Mechanismus der heiligen Statue an der Südwand zu aktivieren, positionierten sie zwei Spiegelschilder in der Mitte des Skriptoriums. Die beiden Lichtstrahlen trafen auf die Statue, welche sich daraufhin grollend in Bewegung setzte. Dort fanden sie eine geheime Steintreppe, die sie weiter nach unten in die Dunkelheit führte.
Als sie die tiefgelegene Kammer betraten, spürte die Gruppe sofort die drückende Hitze, die von der zentralen Flammensäule ausging. Das Licht war so hell, dass es die Augen blendete, und die Luft war erfüllt vom scharfen Geruch verbrannter Steine. Der Raum war kreisförmig und die Wände mit bronzenen Rohren durchzogen, aus denen gelegentlich heiße Dämpfe entströmten. Zwischen den Nischen flackerten unzählige Kerzen, deren Flammen sich in dem gleißenden Licht der Säule verloren.
In der Mitte des Raumes, über einem erhöhten Podest, schwebte ein Schwert – ein Meisterwerk aus Silber, das im Flammenlicht pulsierte und glitzerte. Die Klinge schien lebendig, als ob sie selbst das Feuer bändigen könnte. Es war das Schwert des heiligen Ignacious, die Klinge der brennenden Wahrheit.
Funkenflug trat vor, die Augen fest auf die Waffe gerichtet. „Es muss getestet werden, ob der Träger würdig ist“, sagte er. Crois und Thamanea sahen ihn besorgt an, aber er schüttelte den Kopf und streckte die Hand aus. Als seine Finger das Heft des Schwertes umschlossen, loderten die Flammen höher, und die Hitze umhüllte ihn, als prüfe sie sein Herz.
Einen Moment lang schien es, als würde das Schwert Funkenflug verbrennen, aber dann ließ die Hitze nach, und die Flamme senkte sich, als hätte die Klinge ihn als würdig anerkannt. Funkenflug stand da, das Schwert in der Hand, und ein Funke glomm in seinen Augen. Das Schwert hatte ein Bewusstsein und sprach in Gedanken zu ihm: “Ihr seid ungestüm und zerbrechlich in der Seele, Knappe. Doch vielleicht, wenn ihr mir eure Stärke beweist, werde ich euer Herz aus Kohle zu einem rechtschaffenen Instrument aus glühendem Stahl schmieden!”. Nach einem kurzen Zwiegespräch waren sich Ignacious und Funkenflug einig. Das Schwert würde ihn führen und auf die Probe stellen.
Die Darkk Lyres hatten die Katakomben nun vollständig erkundet, doch es blieb keine Spur von den königlichen Erbschaftsdokumenten. „Das kann nicht alles gewesen sein.“ Murmelte Crois. „Die Gräber der Königsfamilie müssen hier irgendwo versteckt sein.“ Sie verließen Das Skriptorium und begaben sich auf die Suche. Doch schon am Ostflügel des Skriptoriums bemerkte Thamanea ein schwaches Glitzern an der Decke. Ein versteckter steinerner Drachenkopf beherbergte eine Spiegellinse in seinem Maul. Sie lenkten das Licht der Engel nach oben, welches in einen erhöhten dunkeln Gang fiel. Ein grollendes Scharren verriet ihnen, dass sich dort eine Geheimtür öffnete. „Das ist es“, flüsterte Crois. „Hier müssen die Erbschaftsdokumente liegen.“
Als die Gruppe nach oben gelangte, entdeckten sie die verborgene Kammer. Darin fanden sie die Erbschaftsdokumente des Hauses von Kessel – eine Reihe prächtig verzierter Schriftrollen, die die Geschichte der Königsfamilie und ihre Abstammung belegten. Crois rollte das Dokument vorsichtig auf und überprüfte die königlichen Siegel. „Das ist es“, sagte er mit einem erleichterten Lächeln.
Zusätzlich fanden sie kleine Glasphylakterien, jedes mit dem Blut der letzten Herrscher von Kessel gefüllt und mit leuchtenden Runen versehen, die die Namen der Blutlinien trugen. Diese Phylakterien würden beweisen, dass die Dokumente echt waren.
Alycia atmete tief durch und lächelte. „Wir haben es geschafft“, sagte sie. „Lasst uns zurückkehren. Lord Commander Elias Drexel wird erfreut sein.“
Mit den Erbschaftsdokumenten und der Klinge Ignacious kehrte die Gruppe durch die düsteren Korridore der Katakomben zurück, als sie Elias Drexel und die Hooded Lanterns im Skriptorium trafen.