Der Abend legte sich schwer über Drakkenheim, als die Darkk Lyres mit einem letzten Blick zurück in das schwelende Wrack von Reginald’s Laden sich ihren Weg zur Garnison der Hooded Lanterns bahnten. Der Wind trug den fauligen Geruch von Verwesung und verbrannter Haut mit sich, als das Glimmen der Flammen in der Ferne nachließ. Es war, als halte das Haze selbst den Atem an, als die Straßen stiller wurden.
Der Rückweg zur Garnison war selten einfach, und heute war keine Ausnahme. Die dunklen Fassaden der Stadt, die zerfallenen Steinhäuser und überwucherten Gassen, schienen wie der Mund eines hungrigen Monsters, das nach ihnen schnappte. Funkenflug hielt die Gruppe eng beisammen, seine Augen sprühten vor Wachsamkeit, als sie durch die zerstörten Straßen glitten. Es war Noita, die die Gefahr zuerst bemerkte: das leise Knurren, das in der Finsternis vibrierte, tief und unheilvoll.
„Worge… und Höllenhunde,“ murmelte sie mit einem rauen Zischen. Ihre Augen funkelten im Dämmerlicht, als sie den bestialischen Gestank wahrnahm. „Garmyr sind auch hier.“
Und dann brach das Inferno los.
Ein Rudel Worge sprang aus einer Seitengasse, dicht gefolgt von den flammenspeienden Bestien, die als Höllenhunde bekannt waren. Ihre Augen glühten in krankem Gelb, die Hitze ihrer Atemzüge ließ die Luft flimmern. Funkenflug riss seine Waffe empor, ein dumpfes Krachen ertönte, und eine der Bestien wurde zurückgeworfen, doch der Rest prallte wie eine Flutwelle gegen die Gruppe. Feuer schoss aus den Mäulern der Höllenhunde, und Flammenzungen leckten an Crois’ und Thamaneas Rüstungen. Die Hitze fraß sich durch die Schutzschichten und hinterließ wütende Brandmale auf ihrer Haut.
Noita, die als Einzige dem Höllenfeuer entgangen war, hob die Hände und murmelte leise eine Beschwörung. Mit einem blitzenden Licht zog sie ein Stück Delerium hervor, das sie in ihrer Handfläche zum Leuchten brachte. Die Luft schien um sie herum zu vibrieren, als ihre magischen Kräfte aufgeladen wurden. Sie wirkte einen verheerenden Zauber, um die Bestien auf Abstand zu halten.
Kurz darauf rannte sie zu Crois, um dem am Boden liegenden Kämpfer einen Heiltrank zu geben. „Crois, steh auf!“ zischte sie. Crois taumelte, hielt sich die Flanke, wo seine Haut rot und verbrannt war, und nickte. Mit einem knappen Wort befahl er Thamanea, ihren stärksten Zauber zu wirken, während er damit beschäftigt war Funkenflug aufzuhelfen. Thamanea, die Wut in ihren Augen brennend, hob den Arm und rief die Energien der Flamme herbei. Ein Feuerball wuchs in ihrer Hand, pulsierte und schrie wie ein lebendiges Ding, bevor sie ihn mit einem verzweifelten Schrei in die Meute schleuderte. Die Explosion erhellte die Nacht, und die Hitze verbrannte die Luft, als die Worge und Höllenhunde in einem Meer aus Feuer und Asche zerfielen.
Als die Dunkelheit zurückkehrte, hustete Funkenflug und hielt sich die verbrannte Schulter. „Verdammte Höllenhunde“, murmelte er, und Crois warf ihm einen müden Blick zu, bevor er ihm auf die Schulter klopfte.
„Weiter“, sagte Thamanea, ihre Stimme kalt und entschlossen. „Wir sind fast bei der Garnison.“
Die Garnison der Hooded Lanterns war ein trostloser Anblick, ein verschanztes Bollwerk in einer Stadt des Untergangs. Der Wind rüttelte an den Bannern, die von den Zinnen herabhingen, und die wenigen Laternen, die die Mauern beleuchteten, warfen flackernde Schatten. An den Toren wurden die letzten Garmyr niedergestreckt.
Die Darkk Lyres schlüpften durch das Haupttor, ihre Schritte gedämpft auf dem kalten Stein. Drinnen erwartete sie die übliche Mischung aus erschöpften und verwundeten Soldaten, deren Augen müde, aber entschlossen funkelten. Cal Grice, der zwergische Priester, kam ihnen in den unterirdischen Zellen entgegen, seine Augenbrauen zu einem finsteren Ausdruck zusammengezogen.
„Ihr seht schlimmer aus als das letzte Mal“, brummte er und wies die Gruppe an, in den Heilraum zu folgen. Dort versorgte er ihre Wunden, während sie ihm von ihrem Vorhaben erzählten, den Pale Man anzugreifen.
„Ihr wollt ihn wirklich angreifen?“ Cal zischte zwischen den Zähnen. „Habt ihr den Verstand verloren?“
Noita starrte ihn an, ihre Augen kalt wie der Tod. „Es gibt keinen anderen Weg. Er kennt uns, er weiß, dass wir kommen. Und er hat zu lange in Drakkenheim gewütet. Wir müssen das beenden.“
Cal seufzte und nickte schließlich. „Dann macht zumindest Halt im Queens Park. Ich brauche Schwarzwurzel für Heiltränke, wenn ihr schon vorhabt, den Tod selbst herauszufordern.“
Am nächsten Morgen, als die Stadt noch in nebliger Dämmerung lag, machten sich die Darkk Lyres auf den Weg. Das Kleinberg Estate war ein Anblick des Verfalls und des Wahnsinns. Die hohen, grauen Mauern waren von Moos und Schimmel überwuchert, und die Fenster sahen aus wie tote Augen, die stumm in die Dunkelheit starrten.
Der Plan war gewagt, aber sie hatten keine andere Wahl. Thamanea und Noita teleportierten sich direkt in das Herrenzimmer des Pale Man, während Funkenflug und Crois in den Nimmervollen Beutel kletterten, bereit, aus dem Hinterhalt anzugreifen.
Drinnen empfingen sie kaltes, fauliges Licht und die leblosen Augen der Untoten. Sie griffen an, und die Darkk Lyres schlugen sich durch die Wellen von Leichen, bis sie den Pale Man im Obergeschoss des Anwesens fanden. Doch Friedrich von Lichten hatte sie bereits erwartet. Er schnappte geschwind sein in rotes Leder gebundenes Zauberbuch und teleportierte sich davon, bevor sie auch nur ahnen konnten, was vor sich ging.
Thamanea hatte eine Idee: Sie wirkte einen Zauber, mit dessen Hilfe sie das rote Lederbuch aus ihren flüchtigen Erinnerungen aufspüren konnte. Vor ihrem inneren Auge, sah sie einen Weg, der in den Keller des Anwesens führte. Dort hatten die Diener des Pale Man ein Tunnelgewölbe ausgehoben. Irgendwo dort unten in den feuchten dunklen Gängen würde er mit dem Buch auf sie lauern.
Da fanden sie ihn – schwebend über einem See aus Deleriumschlacke in den Katakomben unter dem Anwesen. Der Raum war eine groteske Höhle, die von dem Haze durchdrungen war und in der der Boden unter ihren Füßen zitterte, als ob er lebte.
Der Kampf war grausam. Der Pale Man stürzte sich mit unbarmherziger Magie auf sie, und die Delerium-Schlacke selbst schien nach ihnen zu greifen. Noitas Magie zuckte wie ein Blitz durch die Höhle, und Thamaneas Feuer riss die Finsternis auseinander. Schließlich, schwer verletzt und am Ende ihrer Kräfte, schoss Noita mit einer letzten Kugel aus der Pistole der Ironhelms.
Die Kugel fand ihr Ziel.
Der Pale Man, eine groteske, albtraumhafte Gestalt, die kaum noch an einen Menschen erinnerte, taumelte zurück. Seine Haut war zu einem unnatürlichen Grau verfärbt, das sich wie verrottetes Pergament um seine knöchernen Glieder spannte. Lange, knöcherne Finger, verziert mit Klauen, zogen tiefe Rillen in die Luft, als er einen letzten, erstickenden Schrei ausstieß. Es war ein Laut voller Wahnsinn und Entsetzen, als er schließlich zu Boden stürzte. Die zähflüssige Deleriumschlacke, die unter ihm blubberte, zischte, als sein Körper auf die kalten Steinplatten prallte, und der scharfe Geruch von verbranntem Schießpulver hing schwer in der Luft. Der einstige Friedrich von Lichten, der Mann, der so sehr danach gestrebt hatte, sich zu einem Gott über Leben und Tod zu erheben, lag nun leblos vor ihnen – besiegt, aber keineswegs erlöst.
Noita kniete sich langsam neben den reglosen Körper. Ihr Blick war kalt und durchdringend, während sie die scharfen, verformten Klauen des Pale Man entwirrte und das Buch aus seinem toten Griff befreite. Das Leder des Buches war rau und brannte leicht in ihrer Hand; es schien, als pulsiere es unter ihren Fingerspitzen, als wäre es lebendig. Der Einband bestand aus getrockneten, verflochtenen Fetzen roten Leders – einem dunklen, dämonischen Rot, das flüsterte und schrie, wenn man genau hinhörte.
Sie schlug die erste Seite auf. Der Geruch von altem Pergament und fauligem Blut stieg ihr in die Nase. Sie konnte die unheimliche Energie des Buches spüren, als sie begann, die kryptischen, sorgfältig gekritzelten Zeichen und Runen zu entziffern. Ihre Augen glitten über Formeln, die von Verfall und Tod sprachen, über Flüche, die das Fleisch zersetzen konnten, und über uralte Geheimnisse, die das Leben selbst manipulierten. Doch es war eine Passage, die sie innehalten ließ.
„Siphon Contamination“, murmelte sie leise und las die Worte, die in dunkler Tinte in einer unnatürlichen, zuckenden Handschrift auf der Seite standen. Ihre Finger strichen über die Linien, während sie die Details dieses Zaubers begriff.
Der Zauber war unvorstellbar komplex und gefährlich. Um ihn zu wirken, musste der Anwender zwei Wesen berühren – eines, das von der Delerium-Kontamination verzehrt wurde, und ein anderes, das noch rein war, unbefleckt von dem Haze. Der erste Kontakt musste mit einem Wesen geschehen, dessen Seele tief in der Delerium-Kontamination gefangen war, sei es ein Mutierter oder eine Kreatur, die durch schaurige Magie verformt worden war. Der zweite Kontakt jedoch… war anders.
„Die Seele des Opfers“, flüsterte Noita, als sie tiefer in die Texte eintauchte. „Muss rein sein. Frei von Kontamination, aber von gleicher Essenz und Stärke.“
Die Worte malten ein düsteres Bild vor ihrem inneren Auge. Der Zauber verlangte nach einem unversehrten Opfer, einem menschlichen Leben, dessen Seele rein und unbefleckt war – und ebenso stark wie die des Verfluchten. Es war ein Austausch, eine düstere Waage, die ins Gleichgewicht gebracht werden musste. Die Delerium-Kontamination konnte nur von einem Wesen entfernt werden, wenn ein anderes bereit war, die gleiche Bürde zu tragen – oder, schlimmer noch, sein Leben und seine Seele vollständig dafür zu opfern.
Noita schloss das Buch, die Seite brannte sich in ihre Gedanken. Ihr Gesicht blieb regungslos, aber ihre Augen, kalt und unerbittlich, spiegelten die Last wider, die sie nun trug. Sie hielt das Zauberbuch an ihre Brust gedrückt und stand auf. Die Dunkelheit in den Katakomben schien tiefer zu werden, und die Wände flüsterten wie tausend verlorene Seelen.