Session 8 – Wurzeln des Verrats

Nach dem Angriff der monströsen Spinnen und ihrer niederträchtigen Züchter lastete die Stille schwer über Ylvas zerstörtem Dorf im Crispvale Thicket. Der Himmel war bedeckt, der Boden noch feucht von Regen und Blut. Zwischen verkohlten Balken und zerfetzten Netzen wagte Alice einen Blick in das Herz des alten Weltenbaumes. Mit einem Zauber suchte sie nach verborgener Magie, doch was sie fand, war kein Flüstern – es war ein Schrei. Eine Welle reiner Erkenntnismagie, jenseits jeder Kontrolle, durchbohrte ihren Geist und warf sie bewusstlos zu Boden.

Ylva hob Alice sanft auf und trug sie in das letzte halbwegs intakte Haus – die Überreste des Heims des alten Dorfältesten. Dort versuchten Mouq und Chook ein Zelt über das durchlöcherte Dach zu spannen. Während die Gruppe zur Ruhe kam, blieb Ylva unruhig. Ihre Gedanken kreisten um Kaelen, einst ein Freund ihrer Familie. Sein plötzlicher Rückzug vor dem Angriff auf ihrem Dorf, seine Abwesenheit – all das roch für sie seit dem Angriff nach Verrat.

In der Dunkelheit verließ sie die schützende Hütte. Regen prasselte auf die Trümmer des Dorfes, als sie sich auf die Suche nach Kaelens abgelegener Jägerhütte machte. Und tatsächlich: unversehrt stand sie da, mit verriegelten Fenstern und verschlossenen Türen – als hätte jemand gewusst, dass Gefahr kommen würde.

Zorn stieg in Ylva auf. Mit einem wuchtigen Tritt sprengte sie die Tür aus den Angeln. Im Inneren war alles aufgeräumt. Der Kamin war kalt, doch in seiner Asche lag ein Brief, halb verbrannt, dessen verbliebene Worte von einem Treffen sprachen – und von zwei Namen: Ophelia und Wolf. In einem Lederbeutel entdeckte sie einen kunstvollen Dolch und mehr Gold, als in diesem Dorf je zirkuliert hatte. Zweihundert glänzende Münzen Blutgeld, Bestechungsgeld, Beweis für einen Verrat?

Ylva kehrte zu den anderen zurück und erzählte, was sie gefunden hatte. Aufgewühlt schliefen sie ein – doch die Nacht ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Gegen Mitternacht bebte die Erde unter ihnen. Kein gewöhnlicher Tremor – etwas Lebendiges wühlte sich durch den Boden. Blitze zuckten über den Himmel, als ein Landhai durch den lehmigen Grund brach – ein urzeitliches Wesen, so groß wie ein Haus, mit einem Maul voller Klingen und Panzerplatten wie geschmiedetes Gestein. Er jagte nach Vibrationen – jedem Schritt, jedem
Laut.

Die Gruppe reagierte instinktiv. Alice schleuderte Feuer und Eis aus der Ferne, Chook suchte mit präzisem Blick nach Schwachstellen, Mouq lenkte das Biest mit einer improvisierten Melodie ab, deren Schall durch die Steine tanzte, während Ylva sich auf einen Felsbrocken rettete und mit der Kraft ihrer Arme und eines mächtigen Hiebs das Maul des Monsters zerschmetterte. Mit Mouqs Schlafmagie und Chooks gezielten Wurf brachten die aus Hupperdook stammenden Sprengkörper und Alice Feuermagie das Erdungeheuer schließlich zu Fall. Im Kampf wurden Mouq und Ylva unter dem Erdungeheuer vergraben und schwer verletzt.

Erschöpft, aber lebendig, verbrachten sie die Nacht und rangen dem Morgen etwas Frieden ab. Am nächsten Tag offenbarte Alice, was sie erkannt hatte: Der Weltenbaum war nicht nur ein spiritueller Ort – etwas fehlte in seinem Herzen. Und dieses Etwas, vermutete sie, war ein Luxon Beacon. Ein Artefakt von unermesslicher Macht und religiöser wie politischer Bedeutung. In den falschen Händen – etwa jenen des Dwendalian Empire oder der Kryn-Dynastie – konnte es den Verlauf des Krieges auf diesem Kontinent verändern.

Die Entscheidung fiel rasch. Sie würden das Dorf verlassen und nach Shadycreek Run reisen – jener gesetzlosen Stadt im Nordwesten, wo sich dunkle Gerüchte verdichten. Dort, so hofften sie, könnte sich eine Spur zu dem Luxon Beacon finden lassen.

Mit ihrem Wagen brachen sie auf, folgten den gewundenen Pfaden des Crispvale Thicket. Chook jagte Wild, Mouq komponierte ein Lied über Spinnen, Blut und Bäume, und Alice hielt Ausschau nach ihrem Bruder, einem Soldaten der Righteous Brand. Ylva, mit verschlossenem Blick, sprach wenig, versprach jedoch dem Wald beim Verlassen, dass sie mit dem Herzen wiederkehren würde.

Auf ihrer Reise erreichten sie die alte Handelsstraße Glory Run, die sich nach Nordosten schlängelte. Der Weg führte sie vorbei an verstreuten Händlern, Patrouillen des Imperiums und durch das Niemandsland zwischen Ordnung und Chaos. Die Abende wurden kühler, die Wälder lichter.

Am Abend des 15. Thunsheer, als der zweite Mond Ruidus wie eine brennende Wunde am Himmel stand, erreichten sie endlich die einzige Taverne auf diesem abgelegenen Streckenabschnitt: den Singing Succubus, ein altes Gasthaus zwischen Nogvurot und dem Quannah Breach.

Doch anstatt des ersehnten Lichts und Lärms erwartete sie ein beunruhigendes Bild: Der Stall stand verkohlt, und vor der Tür des Gasthauses standen drei massige Oger, einer von ihnen hielt ein Pferd in den Armen wie ein Kind sein Spielzeug. Ein Halbling sprach mit ihnen, ruhig, fast beiläufig, doch irgendetwas stimmte nicht.

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