Session 29 – Das heilige Sakrament des Falling Fire

Der Krater lag wie ein offenes, faulendes Auge in der zerfallenden Landschaft. Die vernarbte Erde zog sich wie klaffendes Fleisch um die gewaltige Vertiefung, in der das Deleriumherz einst niedergegangen war. Ein leiser, zischender Wind trug den Gestank von Schwefel und Moder heran, während der Nebel, schwer und träge wie ein wütender Atem, die Welt zu verschlucken schien. Crois, Noita, Thamanea und Funkenflug standen am Rand dieser Hölle und blickten hinunter, während sich die Dunstschleier unter ihnen wie Schlangen wanden.

Thamanea brach die bedrückende Stille. „Crois, erzähl mir von ihr. Von deiner Nichte. Was hat sie hierhergeführt?“ Ihr Blick war neugierig, aber auch von Sorge getrübt. „Warum ist sie beim Falling Fire gelandet?“

Crois zog die Luft scharf ein, als hätte ihn die Frage mitten ins Herz getroffen. Seine Augen, sonst hart und unerschütterlich, flackerten für einen Moment. „Marah…“, begann er, seine Stimme leise, als würde er ein Geheimnis teilen, das tief in seiner Seele brannte. „Als der Meteor damals einschlug, war ich gerade elf. Wir mussten alles zurücklassen—den Hof, die Felder, alles, was meine Eltern aufgebaut hatten. Für uns war das Ende der Welt gekommen.“

Er strich sich über den Bart, als wollte er alte Erinnerungen vertreiben. „Fünf Jahre später… da war ich siebzehn. Ich habe mich dem Korps angeschlossen. Ich wollte Drakkenheim von der Heimsuchung befreien. Ich dachte, ich könnte etwas zurückholen von dem, was uns genommen wurde.“ Ein bitteres Lächeln zuckte über seine Lippen. „Aber für Marah… war das alles nur der Anfang.“

„Sie hat ihre Eltern im Inferno verloren. Sie war erst zwei. Kam in eine Familie, die sich einen Dreck um sie geschert hat. Als sie sechzehn war, ist sie geflohen, hat den Weg nach Drakkenheim gefunden. Wütend… auf mich. Auf alles. Ich war nicht da, als sie mich brauchte.“ Crois ballte die Hände zu Fäusten. „Und jetzt ist sie bei Lucretia Mathias, weil sie glaubt, dass das Sakrament des Falling Fire ihr endlich Frieden bringen kann. Sie will ein gutes Omen für die sein, die wie sie im Dunkeln verloren sind.“

Noita legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Vielleicht können wir sie noch erreichen, Crois. Lass uns zur Kapelle gehen.“

Die Gruppe setzte sich in Bewegung, den Krater im Rücken, das schwelende Herz des Deleriums immer noch spürbar in der Luft. Sie folgten dem Pfad, der sie entlang der nördlichen Kraterränder führte, wo der Nebel wie ein lebendiges Wesen durch die verfallenen Ruinen kroch. Schließlich erreichten sie die Kapelle des Falling Fire.

Die Kapelle von Saint Gresha war ein groteskes Monument des Wahnsinns. Nichts blieb mehr vom einstigen Kuppeldach; stattdessen schwebten die Ziegelsteine wie in einem unnatürlichen, perfekten Muster über ihren Köpfen, als würden sie nur durch einen Hauch Magie und Wahnsinn in der Luft gehalten. Der Anblick ließ einem die Haare zu Berge stehen.

Im Inneren der Kapelle stand eine steinerne Feuerstelle auf einem abgestuften Marmorsockel. Ein purpurnes, fast blutrotes Feuer flackerte darin, seine Flammen unnatürlich ruhig und doch voller bedrohlicher Präsenz. Die Kohlen in der Grube waren keine gewöhnlichen Kohlen—es waren Deleriumsplitter, die in der Glut aufblitzten und einen leisen, dröhnenden Ton erzeugten, der den Verstand benebelte. Der Boden war ein zerbrochenes Mosaik, dessen Muster unter den Rissen verloren ging. Was einst vielleicht Statuen gewesen waren, war nun nur noch zu Staub zerfallenes Gestein.

Ein Mann kam ihnen entgegen, sein Schritt federnd und seine Miene freudig, als hätte er nichts im Sinn außer Harmonie. Nathaniel Flint, ein Pilger und Anhänger des Falling Fire, strahlte mit einem Lächeln, das vielleicht zu warm war für diesen verfluchten Ort. Sie hatten ihn bereits zusammen mit Lucretia in der Kathedrale von Saint Vitruvio gesehen. Er war in einfache Gewänder gehüllt—Pilgerroben, gebunden mit einem Seil um die Taille. Ein breites, freundlich wirkendes Gesicht mit wilden Koteletten und einem dichten Schnauzbart grinste ihnen entgegen. Eine Narbe zog sich über seine rechte Wange, doch sein Blick war klar und seine Stimme klang, als begrüße er alte Freunde.

„Ah, Besucher! Willkommen in der Kapelle der Saint Gresha!“, rief Nathaniel mit einer ausgelassenen Herzlichkeit, die unpassend wirkte. „Ich nehme an, ihr seid gekommen, um das Sakrament des Falling Fire zu erleben?“

Crois schüttelte den Kopf und trat vor. „Ich suche nach meiner Nichte. Marah. Sie ist hier, oder?“

Nathaniel hob die Hände beschwichtigend. „Ah, Marah! Ja, sie ist ein Teil unserer Gemeinde geworden, das stimmt. Aber im Moment ist sie nicht im Lager. Sie ist auf der Suche.“ Er sah Crois an, als würde er darauf warten, dass der Mann mehr fragt, und fuhr fort: „Das Sakrament des Falling Fires ist kein leichter Weg. Um die Erleuchtung zu finden, muss jeder Pilger einen passenden Deleriumkristall suchen—einen, der die Form ihrer Seele trägt. Marah ist in den Krater gegangen, um ihren zu finden.“

Crois’ Augen verengten sich. „Wie lange ist sie schon weg?“

„Nun, es ist nicht das erste Mal, dass sie sich auf die Suche macht,“ erklärte Nathaniel mit einem wissenden Nicken. „Manchmal dauert es Tage, bis ein Pilger den passenden Kristall findet. Manche kehren gar nicht zurück. Aber macht euch keine Sorgen! Alles ist Teil des göttlichen Plans. Ihr werdet sehen.“ Er klopfte Crois auf die Schulter, als wäre es eine Selbstverständlichkeit.

Noita trat vor und ihre Augen blitzten, als sie Nathaniel ansah. „Und du glaubst wirklich, dass es göttlich ist, Menschen in einen verfluchten Krater zu schicken? Dass das alles… richtig ist?“

Nathaniel zuckte mit den Schultern und lächelte unbeeindruckt. „Was ist schon richtig oder falsch? Alles ist, wie es sein soll. Die Prophezeiungen von Lucretia Mathias sind klar. Das Sakrament ist ein Weg zur Erleuchtung. Wer bin ich, das infrage zu stellen?“

Crois’ Kiefer mahlte, seine Muskeln spannten sich an. „Ich werde Marah zurückholen.“

Nathaniel verneigte sich leicht, die Hände immer noch in beschwichtigender Geste gehoben. „Möge das Licht des Falling Fire euch auf eurem Weg leiten.“


Die Luft im Krater war schwer und voller Dunst, der in dichten, wirbelnden Schwaden die Sicht trübte. Der Boden unter den Füßen der Darkk Lyres zitterte leicht, als ob das Herz des Deleriums tief unter ihnen weiter pulsierte, ein unaufhörlicher, flüsternder Schlag, der sie an das vergessene Grauen dieses Ortes erinnerte. Die Entscheidung, Marah hier in den Tiefen des Kraters zu suchen, fiel schwer, aber der Gedanke, dass sie allein in diesem unheiligen Ort war, ließ ihnen keine Wahl. Crois hatte einen entschlossenen Blick aufgesetzt, seine Augen fest auf den Weg gerichtet, während sie den Rand des Abhangs erreichten.

„Wir können nicht warten,“ sagte er, seine Stimme fest. „Wenn sie noch da draußen ist, dann werden wir sie finden, bevor das Delerium sie verschlingt.“

Die anderen nickten, und sie machten sich an den Abstieg. Die Felsen unter ihnen waren rutschig und unberechenbar, die Oberflächen von einer unheimlichen, schleimigen Feuchtigkeit überzogen. Funkenflug setzte vorsichtig seine Füße, doch Thamanea verlor plötzlich den Halt. Ein scharfer Schrei entfuhr ihren Lippen, als sie abrutschte und über die Felsen hinabstürzte.

„Thamanea!“ rief Funkenflug, während er nach ihr griff, doch sie war schon zu weit entfernt. Sie landete hart auf einem Vorsprung, und das Geräusch von brechendem Knochen hallte durch die Schlucht.

Thamanea war schwer getroffen, ihr Gesicht verzerrte sich vor Schmerz, als sie sich auf dem felsigen Boden wand. Doch sie biss die Zähne zusammen und legte eine Hand auf die blutende Wunde an ihrer Seite. Ihre Finger leuchteten schwach, ein sanftes, orangenes Schimmern, das sich allmählich über die Verletzung ausbreitete. „Ruhig…“, murmelte sie zu sich selbst, ihre Stimme zitternd, während die magische Energie durch ihre Handflächen floss. „Es wird gleich besser.“ Mit flinken, geübten Bewegungen führte sie die Heilmagie, und langsam schlossen sich die Wunden, das Pochen des Schmerzes wurde schwächer.

Aber die Verletzung war tief, und die Anspannung in ihren Gesichtern sprach Bände. Crois sah hinunter in die Dunkelheit, die den Krater ausfüllte. „Wir müssen weitermachen,“ sagte er mit leiser, bitterer Entschlossenheit. „Wenn wir sie nicht finden, könnte es zu spät sein.“

Nach einigen Augenblicken, als Thamanea bereit war weiterzugehen, setzten sie ihren Weg fort, jeder Schritt schwer und mit Bedacht gewählt. Der Pfad wurde schmaler, bis sie schließlich auf einen dunklen, klaffenden Spalt stießen, der wie eine Wunde im Fels klaffte. Der Eingang zur Höhle war unheimlich und zog die Blicke magisch an, als ob das Dunkel selbst lebendig wäre.

Ein gewaltiger Meteorbrocken aus schimmerndem Sterneneisen ragte vor ihnen empor, mit funkelnden Deleriumsplittern übersät, die ein kaltes, krankhaftes Leuchten ausstrahlten. In seiner Mitte klaffte ein Riss, der etwa eineinhalb Meter hoch war und sich wie der geöffnete Schlund eines gewaltigen Ungeheuers in die Dunkelheit erstreckte. Um den Riss herum waren Symbole in das Gestein geschnitzt: eine Feuerstelle, eine Laterne, eine Fackel und eine Kerze—die vier Lehren der Sacred Flame, Symbole der Hoffnung, die hier, im Schatten des Deleriums, wie Hohn wirkten.

Crois trat näher und sein Blick fiel auf die glitzernden Splitter des Deleriums, an denen persönliche Gegenstände im Wind klimperten—eine Kette mit einem Heiligen Symbol, ein alter Haarreif, Medaillons und Familienringe, die im schaurigen Schein funkelten. Doch eines davon stach ihm besonders ins Auge: Ein Medaillon, auf dem das Bild seiner Schwester Miriam und seiner Mutter eingraviert war. Crois erkannte es sofort, sein Gesicht erstarrte vor Entsetzen.

„Marah…“ murmelte er, während er das Medaillon zitternd in die Hand nahm. „Sie war hier.“

Die Gruppe trat durch den Riss, hinein in die Dunkelheit. Der Pfad führte steil nach unten, und die Luft war dick mit dem dichten Nebel des Deleriums—ein toxischer Schleier, der die Sinne benebelte und ihre Haut prickeln ließ. Funkenflug hielt eine Hand an den Fels und tastete sich voran, während das schwache Glimmen des Deleriums im Gestein wie ein geisterhaftes Leuchten den Weg wies.

Der Höhlengang war feucht und kalt, der Boden unter ihren Füßen rutschig. Überall waren Nischen in die Wände gehauen, in denen kleine Kerzen brannten, die ein magisches, kontinuierliches Licht ausstrahlten. Das Leuchten war schwach, reichte aber aus, um die Umrisse der Höhle zu erhellen. Doch es war ein entropisches Licht, als würde es das Dunkel um sie herum eher verstärken als vertreiben.

Je weiter sie in die Höhle vordrangen, desto dichter wurde der Nebel. Schließlich, tief im Inneren der Höhle, hörten sie Stimmen—zwei Frauen, die sich unterhielten.

Crois hob eine Hand und bedeutete den anderen, still zu sein. Die Gruppe drückte sich an die feuchte Felswand, während sie vorsichtig in die nächste Kaverne traten. Vor ihnen öffnete sich ein großer Raum, die Wände glitzerten im dämmrigen Licht, und inmitten dieses Raumes standen zwei Gestalten.

Die erste erkannte Crois sofort—Marah, seine Nichte. Ihr Gesicht war blass, doch ihre Augen glühten entschlossen. Neben ihr stand eine ältere Frau in Pilgerroben, das Gesicht tief in die Schatten ihrer Kapuze gehüllt. Die Frau drehte sich um und Crois spürte, wie sich ein Knoten in seinem Magen bildete.

„Crois?“ Marahs Stimme zitterte vor Überraschung. „Was machst du hier?“

„Ich suche dich,“ sagte Crois und trat einen Schritt vor. „Marah, komm mit mir. Es ist nicht sicher hier.“

Die Frau neben Marah hob eine Hand und lächelte freundlich, doch es war ein Lächeln, das Crois unangenehm berührte. „Ich bin Morgana,“ stellte sie sich vor, ihre Stimme warm und sanft. „Ich bin eine Priesterin des Falling Fire und habe hier, im Herzen des Kraters, ein Sanktum geschaffen, damit die Verlorenen und Suchenden Zuflucht finden können.“

Sie legte eine Hand auf Marahs Schulter. „Viele Pilger kommen hierher, um Erleuchtung zu suchen. Und vielleicht… um den Deleriumkristall zu finden, der ihre Seele widerspiegelt. Marah hat diesen Weg gewählt, und ich führe sie.“

Marah nickte, ihre Augen glänzten in der Dunkelheit. „Ich habe so lange nach einem Weg gesucht, Frieden zu finden, Crois. Das Falling Fire hat mir Hoffnung gegeben.“

„Welchen Kristall hast du ihr angeboten, Morgana?“ fragte Crois interessiert.

Morgana lächelte sanft und zog einen Stein aus ihrem Beutel. „Hier,“ sagte sie und zeigte ihm einen glatten, schwarzen Kristall, der im schummrigen Licht glitzerte. „Dieser Stein wurde für Marah bestimmt. Er ist mit ihrer Seele verbunden. Er wird sie auf den Pfad der Erleuchtung führen.“

Crois betrachtete den schimmernden Stein in Morganas Hand mit neugierigen Augen. „Er sieht anders aus als die Deleriumkristalle, die ich kenne“, sagte er und legte leicht den Kopf schief, während er Marahs Hand sanft berührte. „Wie kommt es, dass dieser so eine spezielle Form hat?“

Morgana lächelte sanft und nickte, als hätte sie eine lange erwartete Frage vernommen. „Jeder Stein ist einzigartig, genauso wie jede Seele, die ihn formt,“ erklärte sie, ihre Stimme seidenweich. „Manchmal offenbart sich das Licht nur jenen, die bereit sind, sich voll und ganz darauf einzulassen.“

Die Darkk Lyres standen angespannt, umgeben von flackernden Schatten, die im unheimlichen Glanz der Scherben tanzten. Crois griff nach einem der Steine, die Morgana in der Hand hielt. In dem Moment, in dem seine Haut das kalte, pulsierende Delerium berührte, stach ein Schmerz durch seinen Körper. Die Welt verzerrte sich, sein Blick trübte sich, und ein Schrei blieb ihm im Hals stecken. Er fiel in die Knie, und als sein Kopf den Boden berührte, verließen seine Augen den Glanz des Lebens. In der Luft über seinem Körper begann sich ein nebelhafter Schatten zu formen, eine geisterhafte Gestalt, die wie ein stiller Wind zischend durch die Dunkelheit waberte.

Marah erging es ebenso. Kaum hatte Crois den Boden berührt, folgte sie ihm, ihre Augen glasig, als sie auf den Boden sank. Der Wraith, der sich aus ihrer Seele erhob, formte sich neben Crois’, und sie trieben wie verlorene Geister im Raum, suchend und ziellos.

„Oh, wie wunderbar!“ Morgana klatschte in die Hände, als sie sah, wie die Schatten sich erhoben. „Sie werden es lieben, ein Teil dieses heiligen Rituals zu werden. Doch Vorsicht—findet ihr sie nicht rechtzeitig, könnten ihre Seelen für immer verloren sein.“ Ihre Stimme klang wie zerrissener Samt, weich und gefährlich zugleich. Ein höhnisches Lächeln lag auf ihren Lippen, und plötzlich war sie verschwunden. In ihrem Platz erhob sich ein weiterer Wraith, der sich sofort unter die anderen mischte, ununterscheidbar von den Seelen, die sie gerade gestohlen hatte.

„Was zum…?“ Funkenflug zog Ignacious, seine Augen funkelten vor Wut, doch seine Finger zitterten. „Wir müssen sie finden, bevor es zu spät ist!“

Die Dunkelheit brodelte, und die Wraiths, alle in identischer, verzehrter Form, schwebten und bewegten sich in einem unheimlichen Tanz durch die Kaverne. Jeder von ihnen zog eine Spur von frostigem Nebel nach sich, als sie mit zischenden Lauten auf die Gruppe zuschossen.

„Haltet euch bereit!“ rief Noita und hob ihre Hände, in denen magisches Feuer aufglomm. „Wir müssen herausfinden, wer wer ist.“

Der Kampf brach los, und die Dunkelheit schien zu pulsieren, als die Wraiths wie geisterhafte Schatten über den Boden glitten, lautlos und tödlich. Funkenflug stürzte sich mit einem Schlachtruf voran, Ignacious in seinen Händen wie eine lodernde Flamme des Himmels. Sein Göttliches Niederstrecken explodierte in einem gleißenden Licht, als seine Klinge durch einen der Wraiths schnitt. Die Kreatur zischte auf, ein greller Schrei hallte durch die Höhle, als sie zu Staub zerfiel. Doch es war nur einer von vielen, und Morgana hatte noch mehr Ass im Ärmel.

Ein kehliges Lachen ertönte aus den Schatten. Aus den umliegenden Steinen in der Höhle stiegen neue Wraiths empor, ihre Gestalten ebenso schattenhaft und flüchtig wie die ersten. Die Luft war plötzlich voll von geisterhaften, verzerrten Gesichtern, die sich wie Nebel durch die Kaverne bewegten, eine Armee von gepeinigten Seelen, die sich ihren Peinigern entgegenwarf.

„Verdammt!“ fluchte Funkenflug, als er gegen die Übermacht ankämpfte, seine Waffe ein Funkenregen im düsteren Schein. „Es werden immer mehr!“

Noita kniff die Augen zusammen, ihre Stirn in Konzentration gefurcht. Sie sah, wie sich die Wraiths verwirrend schnell bewegten, ihre Positionen tauschten und verschmolzen. Ihre Augen brannten wie glühende Kohlen, als sie ihre Beschwörungsformel murmelte. Mit einer explosiven Geste schleuderte sie einen Feuerball mitten in die tobende Geistermenge. Der Feuerball explodierte in einem gleißenden Blitz, die Hitze war so intensiv, dass die Luft zu flimmern begann. Drei Wraiths schrien auf, ihre Gestalten zerfielen zu Asche, und eine enttarnte sich in der grellen Glut des Feuerballs.

Mit einem schrillen, unnatürlichen Kreischen offenbarte Morgana ihre wahre Gestalt: Die alte, harmlose Priesterin zerfiel, und an ihrer Stelle erschien die abscheuliche Fratze einer Nachtvettel. Ihr Gesicht war verzerrt, ihre Haut ledrig und mit verdorbenen Runen übersät. Aus ihrem Brustkorb leuchtete der violette Schimmer des Deleriums, das sich wie Ranken um ihr Herz gewickelt hatte.

„Bin ich nicht hübsch?“ zischte sie, und ihre Stimme war nun ein giftiges Krächzen. Sie schleuderte ihre Hände vor, und aus ihren Fingerspitzen schossen blutrote Blitze, die Funkenflug mit voller Wucht trafen. Er stöhnte vor Schmerz, als die nekrotische Energie sich durch seinen Körper fraß, doch er blieb standhaft, seine Augen fixierten die Vettel mit unerschütterlichem Zorn.

Morgana wirbelte umher, ihre Wraiths gehorchten ihren finsteren Befehlen, und ein weiterer Zauber traf Noita, die sich nur knapp ducken konnte, bevor ein giftiger Strahl an ihr vorbeizischte. Der Kampf tobte weiter, die Gruppe umkreiste die Vettel, suchte nach einer Lücke in ihrer Verteidigung.

„Ignacious, führe uns!“ rief Funkenflug in den Knauf seines Schwertes und holte erneut aus. Seine Klinge leuchtete in einem goldenen Schimmer, und als er zuschlug, traf er Morgana direkt. Sie kreischte auf, als das heilige Licht ihre unheilige Gestalt durchbohrte, und ein Schwall schwarzen Rauches entwich ihrer Wunde.

In einem letzten verzweifelten Angriff warf Morgana ihre Hände in die Höhe, doch Noita war schneller. Mit einer weiteren Beschwörung ließ sie einen blendenden Lichtstrahl aus ihren Händen fahren, und die Vettel schrie, als die Magie ihre Gestalt zerriss. Sie löste sich in einem blendenden Licht auf, ihr Körper zerfiel zu Asche, und der dämonische Schrei ihres Todes verhallte in den Tiefen der Höhle.

Als der Rauch sich legte und die Dunkelheit nachließ, blieb nichts von Morgana übrig, außer einem Hauch verbrannter Luft. Doch der Sieg kam zu spät—Crois und Marah lagen leblos am Boden, ihre Gesichter blass und ohne Regung.

Thamanea ließ sich neben ihnen nieder, ihre Hände leuchteten in einem orangenen, heilenden Schimmer. Mit einem flehenden Flüstern beschwor sie ihre Seelen, die zuvor zu Asche zerfielen. Ihre Finger glitten über Marahs Stirn, und langsam öffneten sich die Augen der jungen Frau, ihr Atem kehrte zurück. Ein Keuchen, ein Blick voller Verwirrung, und dann ein zitterndes Lächeln.

„Du bist wieder bei uns,“ murmelte Thamanea, bevor sie zu Crois überging. Auch er wurde durch ihre heilige Magie ins Leben zurückgeholt. Er blinzelte, als hätte er aus einem tiefen Traum erwachen müssen, doch sein Griff war fest, als Thamanea ihm aufhalf.

Die Wraiths waren vernichtet, und Morgana war besiegt. Die Gruppe stand erschöpft, aber vereint. Die Wahrheit der Deleriumsteine lag nun offen vor ihnen—ein Werkzeug der Verderbnis, das Morgana benutzt hatte, um Seelen zu stehlen und Pilger zu verderben.

„Es tut mir leid“, flüsterte Marah, ihre Stimme zitternd. „Ich war so naiv. Ich dachte, ich könnte hier Frieden finden.“

Thamanea legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Manchmal sind es die schwersten Entscheidungen, die uns retten.“

Marah atmete tief ein, als sie in die flackernde Dunkelheit blickte. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, während Entschlossenheit in ihren Augen aufflammte. „Das Sakrament…“, begann sie leise, „das ist nicht der Weg für mich. Ich kann nicht länger vor meiner Vergangenheit fliehen.“ Sie hob den Kopf, und ihre Stimme wurde fester. „Ich möchte etwas verändern, nicht nur für mich, sondern für all jene, die verloren sind, so wie ich es einmal war. Ich will für die kämpfen, die mir etwas bedeuten.“

Crois musterte sie und nickte langsam. „Wenn das so ist, dann sollten wir dich zur Garnison der Hooded Lanterns bringen,“ schlug er vor. „Dort könntest du deine Heilfähigkeiten einsetzen. Ich kenne jemanden, einen Heiler namens Cal. Er ist ein guter Mann und könnte dir helfen, einen Platz zu finden, an dem du wirklich etwas bewirken kannst.“

Marah sah ihn an, ihre Augen noch immer voller Feuer. „Die Hooded Lanterns…“, murmelte sie, „ja, vielleicht ist das der Weg, wie ich anfangen kann, etwas zurückzugeben.“ Sie atmete tief durch und nickte schließlich. „Danke, Crois. Ich werde es versuchen.“

Mit den magischen Schätzen von Morgana im Gepäck und den Seelensteinen in ihren Händen traten die Darkk Lyres den Rückweg an, die Schatten des Kraters hinter sich lassend.

Scroll to Top