Der Rückweg aus dem Krater war ein Wettlauf gegen die Zeit. Der dichte, giftige Nebel des Deep Haze waberte um sie herum, schien an ihren Mänteln zu zerren, als wolle er sie verschlingen. Noitas Neutralizing Field flackerte, die magischen Runen auf ihrer Hand glommen schwach, und die Gruppe wusste, dass das Schutzfeld bald nachgeben würde. Mit hastigen Schritten kletterten sie die bröckelnden Felswände hinauf, den metallischen Geschmack des Delerium in der Luft schmeckend, das sich wie eine Krankheit in ihre Lungen schlich. Marah, ihre Augen erschöpft, hielt sich dicht an Crois, der ihr Halt und Sicherheit gab. Der Anstieg war steil, und die Kälte der Nacht kroch an ihren Gliedern empor, doch schließlich erreichten sie den Rand des Kraters und schleppten sich in die nächtliche Landschaft hinaus.
Als die Gruppe sich dem imposanten Clockwork Tower näherte, der sich wie eine schattenhafte Silhouette gegen den Nachthimmel abhob, spürte Thamanea eine gewisse Erleichterung. Die trüben Wolken, die über die Stadt hinwegzogen, spiegelten sich auf der metallenen Oberfläche der riesigen Uhr, deren Zeiger stumm warteten. Die filigranen Silber-, Messing- und Goldverzierungen glitzerten im schwachen Licht der fernen Sterne.
Das Innere des Turms stand in starkem Kontrast zu seiner prachtvollen Fassade. Staub und Schutt bedeckten den Steinboden, vermischt mit den Überresten von Vögeln, die sich in den Jahren der Verlassenheit hierher verirrt hatten. Eine wackelige Holztreppe wand sich nach oben, getragen von einem verrosteten Eisengerüst, das ächzend das Gewicht der Mechanik und der schweren Pendel über ihnen hielt. Funkenflug führte die Gruppe die Treppen hinauf, vorbei an den zerbrochenen Fenstern, durch die der Wind pfiff und die Kälte der Nacht hereinbrachte.
Oben, im Krähenhorst, hatten die Hooded Lanterns ein provisorisches Lager errichtet. Die Soldaten begrüßten sie mit müden, aber freundlichen Blicken. Ihre Gesichter waren gezeichnet von den Kämpfen in der Stadt, doch sie wirkten dankbar, die Darkk Lyres zu sehen. Funkenflug hob eine Hand und murmelte eine Anrufung an die Sacred Flame, und bald darauf erschien eine Tafel, beladen mit einem Heldenmahl, das die Gruppe und ihre Gastgeber stärken sollte. Der Duft von frischem Brot und warmen Sandwiches füllte die Luft, und die dunkle Stimmung im Turm wich für einen Moment einer heimeligen Wärme. Die Soldaten der Hooded Lanterns schlossen sich ihnen an, und für einen Augenblick war das Lachen und Plaudern in der kalten, staubigen Halle des Clockwork Towers ein Hauch von Normalität.
Thamanea saß etwas abseits, den Becher mit Wein in der Hand. Ihre Augen glitten über die Anwesenden, bis sie bei einem bestimmten Gesicht hängen blieben. Alain, der drachenblütige Späher, den sie schon öfter hier gesehen hatte, stand am Rand der Versammlung. Seine goldenen Schuppen schimmerten im Licht der Laternen, und die kantigen Züge seines Gesichts wirkten in diesem Moment fast sanft. Thamanea konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Die goldenen Schuppen, die in den Flammen tanzten, faszinierten sie.
„Was ist?“, flüsterte Noita neben ihr und schob sie sanft mit dem Ellenbogen an. „Geh doch rüber und sprich mit ihm.“
Thamanea zögerte, doch dann stieg ihr der Mut in die Brust. Sie stand auf und ging langsam zu Alain hinüber, der sie mit einem warmen Lächeln begrüßte. „Ich sehe, die Dunkelheit hält dich nicht auf, hm?“, sagte er, seine Stimme ein tiefes, beruhigendes Grollen. Sie kamen ins Gespräch, und Thamanea spürte, wie sich ihre Anspannung löste. Es war, als ob die Last des Tages für einen Moment verschwunden wäre.
Als die Nacht weiter voranschritt und die Tafel sich leerte, schlug Alain vor, sich auf einem der Balkone des Turms zu treffen, sobald die anderen schlafen gingen. „Dort haben wir ein wenig Ruhe“, sagte er mit einem Zwinkern, „und den besten Blick über die Stadt.“ Thamanea nickte, und ein Kribbeln lief ihr über den Rücken.
Später, als die Geräusche im Turm leiser wurden und der Wind über die zerklüftete Stadt pfiff, fand Thamanea Alain auf dem Balkon wieder. Sie hüllten sich in warme Decken und blickten hinab auf die düsteren Straßen von Drakkenheim, die im Mondlicht wie ein Labyrinth aus Schatten und Geheimnissen erschienen. Sie redeten leise, und mit jedem Wort schien die Kälte des Abends mehr und mehr zu verschwinden. Schließlich, als die Stille zwischen ihnen vertraut und nah wurde, beugte Thamanea sich vor und küsste ihn.
Die Nacht verging langsam, und sie blieben zusammen auf dem Balkon, die Decken eng um ihre Körper gewickelt, während sie den flackernden Lichtern der Stadt zusahen. Für einen Moment, inmitten all des Chaos und der Dunkelheit, fand Thamanea ein Stück Frieden.
Der Morgen des 2. Mai war grau und kalt, als die Darkk Lyres ihre Sachen packten und sich für den Weg zur Garnison der Hooded Lanterns rüsteten. Ein schwerer Nebel hing über der Stadt, der sich zwischen den Ruinen der Häuser und den Trümmern der gefallenen Mauern verfing. Marah stand schweigend am Rand der Gruppe, ihre Augen waren fest auf den Pfad gerichtet, der sich durch die verfallenen Straßen von Drakkenheim schlängelte. Die Dunkelheit der vergangenen Nacht schien sich in ihrem Gesicht zu spiegeln, doch ein Funken Entschlossenheit lag in ihrem Blick. Sie wusste, dass dieser Weg ein weiterer Schritt auf ihrem neuen Pfad war, und die Garnison der Hooded Lanterns würde ihr neuer Zufluchtsort werden.
Die Gruppe setzte sich in Bewegung. Der Wind wehte scharf und brachte den fauligen Gestank des Verfalls mit sich. Funkenflug marschierte vorneweg, seine Sinne wachsam, während Crois mit scharfen Blicken die Schatten der Ruinen beobachtete.
Sie passierten zerfallene Häuser, deren geborstene Fensterhöhlen wie tote Augen in die Leere starrten. Ein bedrohliches Schweigen lag über den Straßen, das nur gelegentlich durch das Rasseln von Ketten und das entfernte Klirren von Metall unterbrochen wurde. Funkenflug blieb plötzlich stehen und hob eine Faust, um die Gruppe zu warnen. In den Schatten der Ruinen regte sich etwas. Aus den Schuttbergen erhob sich ein Flüstern, das wie ein Windhauch klang, doch es trug die Kälte des Grabes in sich.
Dann sahen sie es. Eine Armee aus Untoten kam aus den Schatten, ihre Augen glühten in einem fahlen, unnatürlichen Licht. Skelette, deren Knochen von dunkler Magie durchdrungen waren, schlurften über das Kopfsteinpflaster, und verwesende Ghule witterten die Anwesenheit der Lebenden, die sie so sehr verachteten. Drei Gestalten traten aus der Reihe hervor, höher und schwerer als die anderen. Ihre Rüstungen, mit dem Schmutz und Rost des Grabes überzogen, gaben nur vage Auskunft über ihre einstige Pracht. Ihre Gesichter waren bleich, mit Augen, die wie glühende Kohlen in ihren Schädeln brannten. Gruftschrecken.
Die Gruftschrecken sprachen, ihre Stimmen klangen wie Knochen, die über Stein schaben. „Lebende… ihr betretet unser Reich. Ihr werdet uns dienen, ob in Leben oder Tod“, sagte der erste, seine knöchrige Hand erhoben. Die Untoten rückten näher, das Klappern ihrer Ketten hallte unheilvoll wider.
„Sie kommen nicht, um zu verhandeln“, sagte Crois leise und zog seine Gleve.
Funkenflug hob sein Schwert, und in einem strahlenden Lichtbogen entlud sich Ignacious’ heilige Flamme. Der Boden erzitterte, als der Segen des Gottes auf die Untoten niederging, Flammen züngelten über ihre Reihen und verwandelten die ersten in Staub und Asche. Ein brennendes Leuchten flammte in Funkenflugs Augen auf, während er den göttlichen Zorn entfachte.
„Schützt Marah!“, rief Crois und Noita stellte sich neben die junge Frau, ihre Hände bereits von magischer Energie umwoben. Sie entfaltete ein schützendes Schild aus blauen Flammen, das sich um Marah legte und die Attacken der Untoten abwehrte. Knochen klapperten gegen das magische Feld und zerbrachen in funkelnden Splittern.
Crois stürzte sich mit einem Kampfschrei ins Getümmel. Wie ein Schatten bewegte er sich durch die Reihen der Untoten, seine Gleve blitzte im Morgengrauen. Der erste der Gruftschrecken wich seinem Angriff aus, aber Crois war schneller. Ein gezielter Hieb trennte die Waffe des Untotenführers von seinem verdorrten Arm, und mit einem weiteren Schlag durchtrennte er dessen Hals, als würde er ein faules Stück Holz spalten. Der Schädel fiel zu Boden und zerbrach, und ein kalter, fauliger Wind entwich aus dem Körper des Gruftschreckens, bevor dieser leblos zusammenbrach.
Inmitten des Kampfgetümmels schloss Thamanea die Augen, hob ihre Hände und ließ ein gleißendes Licht über den Schlachtplatz fluten. Ein heiliger Schein erfüllte die Luft, als sie ihre Magie entfaltete. „Ich werde die Schatten vertreiben!“ Ihre Stimme hallte durch die Ruinen, und das Licht wuchs zu einer Welle heran, die alles Finstere, das sie berührte, verbrannte. Die einfachen Fußsoldaten der Untoten, seelenlose Hüllen, lösten sich in einem Schrei aus Asche und Rauch auf, als die göttliche Macht sie zerriss.
Noitas Schutzzauber hielt, und Marah blieb sicher hinter der schimmernden Barriere. Die beiden anderen Gruftschrecken stürmten nach vorn, doch Funkenflugs heilige Flamme brannte unbarmherzig in ihren Augen. Er wirbelte herum, und seine Klinge traf den Schädel eines der Gruftschrecken mit einem solchen Donnerknall, dass selbst die Ruinen erzitterten. Die Kreatur fiel zu Boden, und ihre Klinge glitt aus ihren verkrampften Fingern. Crois setzte zur letzten Attacke an und rammte seine Gleve in die Brust des verbleibenden Anführers. Ein greller Blitz durchzuckte die Luft, als die dunkle Magie, die den Gruftschrecken an das Diesseits gebunden hatte, sich auflöste.
Die Stille kehrte ein, nur das Knistern von verkohlten Knochen blieb. Die Darkk Lyres standen erschöpft, aber sie hatten gesiegt. Die untoten Soldaten lagen zerschmettert am Boden, und das unheilvolle Leuchten in den Augen der Gruftschrecken war erloschen.
Thamanea atmete schwer, doch ein Lächeln lag auf ihren Lippen. „Der Tod hat heute nichts zu holen“, sagte sie, und Funkenflug nickte, während er den Griff seines Schwertes fester umklammerte. Noita senkte die magische Barriere, und Marah trat aus dem Schutzfeld, ihre Augen auf die Überreste der untoten Horden gerichtet.
„Danke“, flüsterte Marah, ihre Stimme zitterte, aber es lag auch ein Funken neuer Stärke darin. „Wir gehen weiter. Noch ist unser Weg nicht zu Ende.“
Die Gruppe setzte ihren Marsch fort, und während sie die verfallenen Straßen der Stadt hinter sich ließen, lag ein leiser, aber entschlossener Hauch von Hoffnung in der Luft.
Die Sonne war längst aufgegangen, als die Darkk Lyres und Marah das zerklüftete Gelände vor der Garnison der Hooded Lanterns erreichten. Die Mauern der Garnison ragten wie ein stummes Bollwerk aus dem Nebel auf, das Zeugnis ablegte von einer unnachgiebigen Entschlossenheit, die schon seit Jahrzehnten über Drakkenheim gewacht hatte. Die Gebäude waren grob und funktional, aus schwarzem Stein gehauen und mit eisernen Zinnen bewehrt. Auf den Mauern patrouillierten Soldaten, ihre Umrisse scharf gegen den trüben Himmel.
Der Eingang zur Garnison war eine massive Holztür neben dem Tor, umrahmt von gehärtetem Stahl, und Funkenflug klopfte mit einer kräftigen Faust dagegen. Der Laut hallte dumpf wider, bevor ein Wächter den Riegel zurückschob und ihnen Einlass gewährte. Die Gruppe betrat das Gelände, und ein vertrauter Geruch aus Schweiß, Eisen und Heilkräutern stieg ihnen entgegen. Die Atmosphäre war schwer, die Anspannung der Soldaten greifbar, denn die Bedrohung durch die Untoten und die Verderbnis der Stadt war allgegenwärtig.
Drinnen führten sie Marah zu Cal, dem zwergischen Heiler der Garnison. Die Krankenstation war ein großer Raum, karg, aber zweckmäßig eingerichtet. Kisten voller Verbände und Tränke standen aufgereiht entlang der Wände, und auf einfachen Holzbetten lagen verwundete Soldaten. Cal, ein stämmiger Zwerg mit grauem Bart, der ihm bis zur Brust reichte, musterte die Gruppe mit mürrischem Blick, während er seine Hände in den Taschen seines langen Lederkittels vergrub.
„Was habt ihr mir da gebracht?“ brummte er.
Crois trat nach vorne und erklärte ruhig, was Marah beim Falling Fire gelernt hatte—wie sie sich mit den Heilkräutern auskannte und die Grundzüge der medizinischen Versorgung beherrschte. Er sprach mit der Überzeugung eines Anführers, der wusste, dass jedes Wort Gewicht hatte. Funkenflug fügte hinzu, dass sie Marahs Fähigkeiten selbst im Einsatz gesehen hatten und überzeugt waren, dass sie eine wertvolle Hilfe für die Garnison sein konnte.
Cal zog skeptisch eine Augenbraue hoch, doch als Marah selbst sprach, ihre Stimme leise, aber fest, nickte er langsam. „Nun gut“, grummelte er. „Wenn ihr es so sagt, werde ich sie auf die Probe stellen. Aber wehe, sie stellt sich als nutzlos heraus.“ Er deutete auf eine freie Liege und wies Marah an, einem der Verwundeten die Salbe aufzutragen, die er aus einer kleinen Flasche hervorholte. Marah nickte und ging unverzüglich an die Arbeit, ihre Hände ruhig und sicher, während sie das heilende Mittel auf die Wunden des Soldaten auftrug.
Thamanea und Noita beobachteten, wie sich die Miene des Zwerges entspannte, als Marah sorgfältig und gekonnt arbeitete. „Sie wird hierbleiben“, entschied er schließlich. „Ich werde sie im Auge behalten.“ Marah lächelte schwach, und die Darkk Lyres nickten zufrieden. Ein sicherer Ort für Marah war gefunden, und das bedeutete, dass sie ihre Mission unbesorgt fortsetzen konnten.
Gerade als sie sich von Cal verabschieden wollten, trat ein Bote ein. Sein Wams trug das Zeichen der Hooded Lanterns, und seine Gesichtszüge waren angespannt. „Der Lord Commander möchte euch sofort sprechen“, verkündete er kurz und knapp. „Im Garnisonsturm.“
Die Darkk Lyres tauschten einen Blick und folgten dem Boten über das Gelände, vorbei an den Soldaten, die eilig zwischen den Baracken hin- und herliefen. Der Garnisonsturm ragte imposant vor ihnen auf. Er war das höchste Gebäude in der Garnison, eine gedrungene, vierstöckige Festung, deren graue Steine im schwachen Licht des Morgens wie alte Knochen wirkten. Die breiten Stufen, die zum Eingang führten, waren abgenutzt, und Soldaten in schwerer Rüstung standen Wache, ihre Hände fest um die Hälse ihrer Speere geklammert.
Sie betraten den Turm und erklommen die steinerne Treppe, die sie zum Besprechungsraum im zweiten Stock führte. Die Luft hier war stickig und schwer, und das leise Knarren des Holzbodens begleitete jeden Schritt. In der Mitte des Raumes stand ein großer, runder Tisch, über und über bedeckt mit Karten, Berichten und Aufzeichnungen. An der Wand hing das Wappen von Drakkenheim, das in dem fahlen Licht eines einsamen Kronleuchters leise schimmerte.
Am Tisch stand Lord Commander Elias Drexel. Der Mann war eine imposante Gestalt und seine braunen Augen funkelten hart und scharf. Seine breite Statur und die Kälte in seinem Blick ließen keinen Zweifel daran, dass er ein Mann war, der an Befehle und Gehorsam gewöhnt war. Zu seiner Rechten stand Captain Ansom, seine Körperhaltung angespannt und aufrecht, und daneben Captain Petra Lang, eine junge Frau mit stechenden, wachsamen Augen und langen schwarzen Haaren, die unter ihrer Kapuze hervorsahen.
„Setzt euch“, befahl Drexel, ohne Zeit zu verlieren, und die Darkk Lyres taten, wie geheißen. „Wir haben Neuigkeiten.“
Petra trat vor und berichtete von den jüngsten Entwicklungen. „Unsere Spione haben es geschafft, bis nach Buckledown Row vorzudringen“, begann sie, ihre Stimme klar und bestimmt. „Das Lager der Queen’s Men ist gut bewacht, aber wir haben wertvolle Informationen sammeln können.“
Sie breitete eine Karte aus, auf der Buckledown Row und seine Umgebung markiert waren. „Es gibt eine Arena“, fuhr sie fort, „wo sich die Champions der Banden beweisen können. Die Queen of Thieves soll angeblich jeden Samstag dort sein, um die Kämpfe zu beobachten. Es könnte allerdings nur eine Illusion sein, ein Trick, um ihre wahre Anwesenheit zu verschleiern.“
„Und wie kommt man an sie heran?“ fragte Crois, seine Stimme ruhig, aber scharf wie ein Messer.
„Jeder, der es schafft, alle Champions zu besiegen, wird angeblich zur Queen of Thieves eingeladen“, erklärte Petra. „Dort gibt es eine zweite, geheime Arena. Nur die High Society der Banden kennt ihren Standort, und es gibt kaum Informationen darüber, wie man dorthin gelangt.“
Drexel stützte seine Hände schwer auf den Tisch, seine Stirn in Falten gelegt. „Das könnte unsere einzige Möglichkeit sein, einen direkten Weg zu ihr zu finden. Aber es ist ein Risiko. Ein riskanteres Unterfangen, als mir lieb ist.“
Der Raum im Lord Commander’s Keep war still und schwer von einer angespannten Ruhe, als Elias Drexel Petra und Ansom für den Bericht dankte und sie zum Abmarsch beorderte. Der Lord Commander verharrte einen Moment, seine Hände fest auf die Kanten des massiven Holztisches gelegt. Die Karten und Berichte vor ihm lagen still und unberührt, doch das Gefühl der Ungewissheit hing wie eine bleierne Last in der Luft.
Die Darkk Lyres saßen um den Tisch, das schummrige Licht des einzigen Kerzenleuchters warf lange Schatten auf ihre Gesichter. Draußen, jenseits der dicken Mauern des Turms, kratzte der Wind an den Steinen und erinnerte daran, dass die Stadt selbst ein einziges, stürmisches Mysterium war.
Drexel sah auf, sein Gesicht in Falten gelegt, die Augen hart wie Stein. „Ich habe euch hierbehalten, weil ich euch etwas im Vertrauen erzählen muss,“ begann er, seine Stimme tief und rau. „Petra und Ansom hegen Verdacht. Seit wir die Erbschaftsdokumente gefunden haben, haben sie das Gefühl, ich würde ihnen etwas verschweigen.“
Er sprach langsam, wog jedes Wort ab wie ein Mann, der wusste, dass jedes falsche Wort den Boden unter ihm zum Bersten bringen könnte. „Die Wahrheit ist…“ Er zögerte, und in seinen Augen lag ein Funken Unsicherheit, ein Widerschein seiner inneren Qualen. „Ansom hat ein Recht auf den Thron. Er ist…“ Er machte eine kurze Pause, als müsse er die Worte aus seinem Inneren zwingen, „…der Bastard meines Königs.“
Noita, die bisher regungslos zugehört hatte, schob ihre Kapuze zurück und lehnte sich vor. „Und du überlegst, es ihm zu sagen?“ fragte sie, ihre Augen forschend auf Drexel gerichtet.
„Ich weiß nicht, ob es das Richtige ist“, gestand der Lord Commander. „Wenn er es erfährt, ändert sich alles. Seine Loyalität, seine Hingabe… Was, wenn er es als Verrat ansieht, dass ich es ihm bisher verschwiegen habe?“
Funkenflug schüttelte nachdenklich den Kopf. „Manchmal ist das Schweigen die bessere Wahl“, sagte er leise, „zumindest solange, bis die Zeit reif ist.“
Thamanea, die bisher geschwiegen hatte, schien innerlich zu ringen. Ihre Hände lagen in ihrem Schoß, und ihre Augen waren auf den Tisch gesenkt. Schließlich atmete sie tief ein, und als sie sprach, war ihre Stimme leise, aber bestimmt. „Es gibt da noch etwas, von dem du wissen solltest, Drexel.“ Ihre Augen suchten seinen Blick. „Wir haben im Rathaus einen Brief des Königs gefunden. Darin steht, dass meine Familie, die Goldbergs, dazu berechtigt sei, einen Thronerben zu stellen. Doch dieser Brief… er wurde niemals abgesendet.“
Drexels Miene verfinsterte sich, doch er blieb still, als ob er die Worte verdauen müsste, als wären sie ein Gift, das sich langsam in seinen Adern ausbreitete. Er lehnte sich zurück und presste die Kiefer zusammen, während ein Schatten der Resignation über seine Züge glitt. „Also noch eine Fraktion im Spiel…“ murmelte er schließlich, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
„Die Frage ist“, fuhr Thamanea fort, „ob wir abwarten oder handeln. Doch ich denke, wir sollten zunächst beobachten, wie sich die Dinge entwickeln. Zu viele Worte, zu früh ausgesprochen, könnten alles zerstören.“
Elias Drexel nickte langsam, als würde er die Weisheit in ihren Worten erkennen. Doch der Konflikt, der in ihm tobte, war offensichtlich. „Ich werde abwarten“, sagte er schließlich, obwohl die Härte in seiner Stimme wie der Klang von gebrochenem Glas war. „Wir müssen mehr über die Queen of Thieves herausfinden und die Königin Lenore zurückholen. Nur wenn wir mehr wissen, kann ich entscheiden, wie ich mit Ansom verfahren soll.“
Die Entscheidung war gefallen, und die Anspannung im Raum schien für einen Moment zu weichen, doch die Stille, die folgte, war schwer und drückend. Die Darkk Lyres verließen den Besprechungsraum in nachdenklichem Schweigen und ließen Drexel allein zurück, der in die Flammen des Kerzenleuchters starrte, als ob er darin eine Antwort suchen würde.
Die Nacht brach über die Garnison herein, und die Dunkelheit jenseits der Mauern schien dichter und drohender als je zuvor. Die Darkk Lyres verbrachten die Stunden in ihren Gemächern, doch Schlaf fanden sie nur schwer.
Am nächsten Morgen, bevor die ersten Sonnenstrahlen über die zerfallenen Ruinen von Drakkenheim krochen, machten sie sich bereit. Sie rüsteten sich für den nächsten Schritt ihrer Mission: der Aufbruch zum Inscrutable Tower, einem weiteren Geheimnis, das sie zu entschlüsseln hatten.