(28.09.19) Jenseits des Spiegels – Session III

Tagebucheintrag von Fleck aus dem Eimer

Verdammte Töle, zahllose Nächte die ich mich schon auf Hausdächern verkroch vor diesen fleischgierigen Kreaturen. Nur die Menschenrasse scheint diesen Unerwachten ein Meister zu sein. Seit Tagen schon beobachtete ich die kleine Gefährtengruppe in diesem heruntergekommenen Anwesen, von dem mich dieses Ding nun abhalten sollte.

Don Gato war daran interessiert zu erfahren, was diese Gruppe an Schätzen in Besitz hatte. In den Gassen erzählte man sich bereits von einem prächtig leuchtendem Wollknäuel, welches ich auch nur zu gern in meiner Sammlung wissen würde. Doch bereits ein Dutzend Versuche, mich überhaupt in die Nähe des Anwesens zu schleichen, scheiterten bereits an dessen Zaun – mit einem zähnefletschendem Empfang.

Ein gewagter Sprung aus dem Baumwipfel eines höheren Baumes brachte mir jedoch, wenn auch mit einer unsanften Landung auf die teils verfallenen Ziegel, den gewünschten Erfolg – ich war endlich auf dem Dach des Anwesens – nun wohl aber gefangen. Und der einzige Weg hinein schien der Schornstein. Mein Eindringen in das Gebäude daher – stets bemüht – leider mit der direkten Aufmerksamkeit der beschatteten Gefährtentruppe.

Da stand ich nun also, mein schönes Fell rußverschmiert und konfrontiert von drei sehr überrascht blickenden Mitmenschen Mitkatzen. Ihre Überraschende Art wandelte sich jedoch schnell in eine brenzliche Lage für mich. Doch – wiederum zu meiner Überraschung – waren sie nicht von solch fremdenfeindlicher Natur, wie ich erwartet hatte. Eher im Gegenteil: sie sollten sich noch als wahre Freunde herausstellen, wohl meine ersten. Nach einer Ausrede für mein Eindringen senkten sie also ihre Waffen, ein anderes Problem schien ihre Aufmerksamkeit zu erfassen – eine Menschenstimme! Gern hätte ich den Gunst des Augenblicks genutzt um meiner Mission nachzukommen, doch ich begriff, dass die kleine Gruppe selbst hier feststeckte und kein Weg mich wieder von ihrer Seite lassen würde auf so engem Raum. Daher sprang ich zurück in den verrußten Kamin, aus dem ich gerade noch Kam, und zog meine Kutte über mich. Doch es sollten beim Versteckspiel nicht alle so viel Glück haben – ein Menschenkind betrat den Raum, erblickte den Einäugigen der Gefährten, schnappte ihn sich und schleppte ihn lachend aus dem Zimmer.

Die Reaktion der anderen beiden Gefährten war wohl das erste Mal, dass ich Freundschaft sah. Sie eilten dem Einäugigen zur Hilfe – meine Reaktion war hingegen die übliche: zuerst rette ich mich selbst. Ich verblieb daher im Zimmer, während ich das Menschenkind plötzlich schreien hörte. Momente der Ahnungslosigkeit vergingen und da kehrten sie wieder vollständig in das Kaminzimmer zurück.

Nun ließ ich mich auf ein Gespräch mit ihnen ein und, irgendwie, vertrauten sie mir.  Das sogar soweit, dass sie mir aus freien Stücken über ihre Schätze, an welchen der Don so interessiert war, in aller Ausführlichkeit erzählten. Von da an sollte mein Ziel nur noch die Rückkehr zu Don Gato sein, dem im Wege stand jedoch nun der draußen patrouillierende Unerwachte und eine dreiköpfige Menschenfamilie, die nun wohl aufgebracht zu sein schien. Ich musste mir also mit den Gefährten einen Weg hinaus bahnen.

Und die Planung dafür gestaltete sich kompliziert: die Geister, JA ES GIBT SIE WIRKLICH – ich wollte es auch erst nicht glauben, schienen mit diesen Gefährten befreundet, so berichteten sie. Die Menschen sollten  vertrieben werden und der Hund anschließend verjagt.

Für ersteres Spielten wir zuerst ein kleines Katz und Mausspiel, welches darin endete, dass sich die Menschenfrau vor einem von uns inszenierten Blutbad wiedersah und sich anschließend die Hände vollständig an von uns platzierten Glasscherben aufschnitt. Doch es sollte nicht reichen, um sie zu vertreiben.

Während eines aufgebrachten Gesprächs der Menschenfamilie, schien ein Erwachter (den die Gefährten wohl kannten) im Geschoss unter uns dem Hund vorgeworfen zu werden. Zerzio, ein brillanter Schütze und samtpfotiger Meisterdieb den ich nun kennenlernen durfte, startete dabei die gleich zweite Rettungsmission der Stunde, um das Vorhaben der Menschen durch einen gezielten Schuss zu vereiteln und dem Erwachten heldenhaft das Leben zu retten. Die erschöpfte Familie suchte allmählich die Schlafzimmer auf und wir schlichen in das Erdgeschoss des Hauses. Zu der Überraschung der Anderen schien die Kellertür nun geöffnet. Was jetzt folgt ist echt schräg.

Meine Hoffnung auf eine Rumpelkammer voller Schätze, die ich mir dort unten erhoffte, wurde durch eine Patrouille erwachter Kakerlaken ersetzt. Ulkige Dinger, bewaffnet entweder mit Zahnstochern oder Skalpellen schienen sie nichts außer diesen Keller zu kennen. Ergebnis meiner verzweifelten Suche waren ein Paar räudige Silberketten, aber sie hatten ihren Glanz wohl schon vor Jahrzehnten verloren.

Zurück zu den Kakerlaken, neben ihrer Vorratskammer hatten sie noch einen eigenen Wohnraum: ein altes, scharf nach Chemie und Verwesung riechendes Labor mit einem Loch in der Wand, aus denen noch mehr übermäßig große Kakerlaken strömten.

Wieder zeigte Zerzio wahren Mut, er stieg in das Loch hinab und schien sich mit ihnen zu unterhalten. Nach einigen Minuten, in denen ich nur Wortfetzen verstand entstand plötzlich ein Gebrüll von Kakerlaken. Im gleichen Moment fluteten Dutzende von ihnen den Raum, allen voran Zerzio. Er musste sie in einer Rede sie davon überzeugt haben, die Menschen zu vertreiben, denn sie stürmten mit ihm die Treppen wieder hinauf, schreiend, trommelnd und geladen voller Kampfeslust. Das Menschenkind, welches den Lärm wohl bemerkt hatte, wurde am Treppenaufgang nun von dieser Armee begrüßt. Binnen Sekunden war die gesamte Menschenfamilie im Erdgeschoss versammelt, nun umzingelt von einer Schar angestachelter Insekten mit ihrem furchtlosen Anführer. Völlig überfordert ergriffen sie die Flucht, wobei der erwachte Kater sich ihnen mit einem vorgeschobenen Wimmern anschloss. Das Haus gehörte nun wohl uns. Es war auch der Moment, in dem ich so dachte, es gehöre „uns“. Eine starke Emotion, ein Gruppengefühl ohne jede Angst voreinander. Doch die Angst vor Gato war mir damit nicht genommen, sie holte mich schnell wieder ein und ließ mich einen Plan für meinen Auftrag konstruieren. An ihren Plan, die Schätze in dieses Anwesen zu bringen, bewacht von einer Armee treuer Insekten, schien ich mich anpassen zu müssen.

Der Weg zu den Schätzen bedeutete jedoch zuerst einen Kampf mit einem aggressiven Pack Wolfsratten. Ich hielt sie mir stets auf Distanz war ich allein, so auch jetzt, nur dass meine neuen Freunde ihre Fähigkeiten nun tatsächlich unter Beweis stellten und diese pelzigen Seuchenherde auslöschten. Bis auf kleinere Kratzer überstanden wir damit unbeschadet unsere Schlacht.

Bis zum Versteck der Schätze sollte es nicht mehr weit sein und so stiegen wir auf den Dachboden eines Hauses, wobei eine raffinierte Mechanik einer dort stehenden Kiste die begehrten Schätze bewahrte. Einen Späher Gatos war uns noch am selben Abend entwischt, ich erkannte ihn bei seiner Flucht. Meine bloße Information zur Existenz der Schätze würde also nicht mehr reichen. Doch, nachdem sie mir die Schätze inzwischen ausführlich gezeigt hatten, konnte ich weit mehr als über die Existenz berichten, ich wusste nun über den Bestand eines geheimnisvollen Wollknäuels und seiner Bedeutung. Es sollte ihr wertvollster Schatz sein, wobei es beim Anblick auch mir unter den Krallen brannte. Die überraschende Einladung der Kaiserin über einen Boten, der uns auf diesem Dachboden gefunden hatte, nutzten wir, um den Don eine Vergabe des Schatzes vorzugaukeln. Eine Finte die ich vorschlug, wohl wissend, dass Don Gato eine so einfache Finte niemals von seinem Ziel abhalten würde. Doch ich gewann damit das Vertrauen der Gefährten, wobei diese Einstellung einen Gewissenskonflikt in mir lostreten sollte.

Zunächst jedoch brachten wir den Schatz in die bewachten Räume des Kakerlakenanwesens. Nun musste ich handeln, wir teilten uns auf und ich bahnte mir mit Karanor einen Weg zum Don. Inzwischen schon stark gegen mein Gewissen, entschied ich mich Karanor im Glauben zu lassen, ich sei derjenige der sich voller Courage dem Don entgegenstelle, um ein Angebot für den Schatz zu verhandeln. Doch ich verriet Gato alles, was ich in Erfahrung gebracht hatte, worauf dieser sein Interesse am Knäuel äußerte. Jetzt musste ich schnell sein – und noch extremere Maßnahmen treffen. Ich bat den Don, meinen Freund Karanor hier zu halten, um in der Zwischenzeit zu verschwinden und den Knäuel aus dem Haus zu entwenden, während Zerzio und bei der Kaiserin Rohaja und Viskas ebenfalls einen Preis dafür zu einzuholen. Der wahre Einbruch, die Belohnung für das Knäuel nicht allein für mich beanspruchen zu können, kam mit dem wohl heimtückischsten  Trick, Karanor vorgeblich zu warnen um sein Vertrauen eventuell später noch missbrauchen zu können.

Mein Sprint zurück zum Knäuel wurde durch heftige Gewissensbisse unterbrochen. Letztlich entschied ich am Schatz zu warten und einfach ehrlich meine Situation zu erklären. Ein großer Streit brach los über den Vergleich der Angebote und ihre Angebotsgeber. Mein Vorteil war, dass der Don wohl das beste Angebot gemacht hatte, was mir Alles retten sollte. Mit dem Vorschuss Gatos, 1200 Goldglöckchen, war ich gezwungen zu liefern. Der Streit verschärfte – ich musste sie mit meinem Leben davon überzeugen, sich für das Angebot des Dons zu entscheiden. Die Glöckchen musste ich in der Not aufgeben, um die eigentliche Belohnung einzusacken: die goldene Taschenuhr aus dem persönlichen Inventar des Dons, ein Traum für jeden Sammler und ein verdammt hoher Wert, sollte ich sie jemals loswerden wollen. Ich verschwieg zunächst, dass ich die genauere Belohnung kannte, was mich eine fiese Platzwunde kostete. Zerzio war es, der mir in meiner Verschwiegenheit und in der Folge des Streits aufgrund seines Misstrauens mit einem Pfeil die Schläfe perforierte. Dem folgte ein tiefgreifender Sinneswandel seinerseits, es sollte der zweite des Tages sein.

Der Streit legte sich mit der Einigung, sich für das Angebot des Dons zu entscheiden. Und nachdem wir in den Krakenkönig zurückkehrten, erwartete mich da ein Tausch, aus dem ich mit dem wohl kostbarsten aller Schätze, besonders für mich, herausging. Wir verließen das Lokal und unsere Abenteuerlust schien noch keinen von uns verlassen zu haben, und so schenkten wir einem mageren Kater, den ich aus den Reihen Gatos wiedererkannte, ein offenes Ohr…

Scroll to Top